BGB § 249 Abs. 2 § 254 Abs. 2
Leitsatz
1) Der Geschädigte darf seiner fiktiven Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (im Anschluss an BGH, Urt. v. 20.10.2009, VI ZR 53/09, NJW 2010, 606).
2) Der Schädiger kann den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden.
3) Eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn das Fahrzeug des Geschädigten älter als drei Jahre – gerechnet vom Datum der Erstzulassung – ist und das Fahrzeug bereits wegen eines vorangehenden Schadens in einer "freien Fachwerkstatt" repariert wurde.
Hanseatisches OLG in Bremen, Urt. v. 7.2.2011 – 3 U 61/10
Sachverhalt
Der Kl. nimmt die Bekl. auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem sein mehr als 3 Jahre erstzugelassenes Fahrzeug beschädigt worden ist. Die Parteien streiten darüber, ob die bekl. Haftpflichtversicherung des allein haftenden Schädigers den Kl. im Rahmen der fiktiven Schadensabrechung auf die Kosten der von der Bekl. benannten nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt verweisen darf oder auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens einer markengebundenen Vertragswerkstatt abrechnen darf.
Das LG ist in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass der Kl. lediglich einen Anspruch auf Erstattung fiktiver Reparaturkosten in Höhe der Preisstruktur einer freien Fachwerkstatt habe, da eine Verweisung des Kl. hierauf nicht unzumutbar sei. Mit der Berufung verfolgt der Kl. den sich aus dem abgewiesenen fiktiven Differenzbetrag der markengebundenen Werkstatt zu dem ihm durch das angefochtene Urteil zugesprochenen fiktiven Reparaturkostenbetrag einer freien Werkstatt zugesprochenen Betrag weiter. Den Verweis auf Kosten der Reparatur in einer freien Werkstatt hält er für unzumutbar. Das Fahrzeug habe seit der Erstzulassung eine Laufzeit von nur knapp über drei Jahren aufgewiesen, Ergebnisse der Stiftung Warentest belegten, dass Reparaturen in einer freien Werkstatt gegenüber denen in einer markengebundenen Werkstatt nicht gleichwertig seien.
Die Berufung hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
„Die statthafte (§ 511 Abs. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§§ 511 Abs. 2, 517, 519, 520 ZPO) Berufung des Kl. ist nicht begründet.
Dem Kl. steht gegen die Bekl. der geltend gemachte (weitere) Schadensersatzanspruch nicht zu, da der Kl. keinen Anspruch auf Leistung weiterer fiktiver Reparaturkosten hat.
Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte vom Schädiger gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag beanspruchen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte (BGH NJW 2010, 606). Der Geschädigte leistet im Reparaturfall dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH a.a.O.). Wählt der Geschädigte den vorbeschriebenen Weg der Schadensberechnung und genügt er damit bereits dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, so begründen besondere Umstände wie das Alter des Fahrzeugs oder seine Laufleistung keine weitere Darlegungslast des Geschädigten. Bereits in seinem Urt. v. 29.4.2003 (NJW 2003, 2086 ff., 2087) hat der BGH allerdings ausgeführt, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne Weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Rechnet der Geschädigte – konkret oder fiktiv – die Kosten der Instandsetzung als Schaden ab und weist er die Erforderlichkeit der Mittel durch eine Reparaturkostenrechnung oder durch ein ordnungsgemäßes Gutachten eines Sachverständigen nach, hat der Schädiger die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB ergibt (BGH NJW 2003, 2086 ff., 2088).
Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen es dem Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB bei der (fiktiven) Schadensabrechnung zumutbar ist, sich auf ...