StPO § 147; OWiG § 49
Leitsatz
1. Die Betr. hat einen Anspruch auf Übersendung der Falldatei nebst öffentlichem Schlüssel der konkreten Messung. Ob der "Falldatei"-Anforderer über das nötige Auswerteprogramm verfügt, hat die Verwaltungsbehörde nicht zu interessieren.
2. Sofern eine Übersendung der konkreten Falldatei nicht erfolgt, ist über eine Beschlagnahme dieser Datei zu entscheiden.
AG Kassel, Beschl. v. 31.1.2019 – 385 OWi 486/18
Sachverhalt
Gegen die Betr. wurde aufgrund einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein Bußgeldbescheid erlassen. Durch den Verteidiger wurde wiederholt die Übersendung der konkreten Falldatei nebst öffentlichem Schlüssel verlangt. Die Bußgeldbehörde verweigerte eine Übersendung der konkreten Falldatei mit folgender Begründung:
"Zwar ist insoweit von einem Recht auf Einsichtnahme auszugehen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.8.2016 – 2 SsOWi 562/16). Da die "Falldatei" verschlüsselt ist und zur Auswertung ein bestimmtes Auswerteprogramm benötigt, obliegt es allerdings der Verwaltungsbehörde, die im Besitz der "Falldatei" ist, zu entscheiden, wie sie dem Anspruch auf Einsicht nachkommt. Sie ist zumindest verpflichtet, in den Räumen der Verwaltungsbehörde die Einsicht in die vom Messgerät erzeugte digitalisierte Falldatei des Betr. zu gewähren und dort das Auswerteprogramm, mit dem die Auswertung vorgenommen wird, zur Verfügung zu stellen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.8.2016 – 2 SsOWi 562/16)."
Das AG Kassel hat die Verwaltungsbehörde angewiesen, der Betr. über ihren Verteidiger die Falldatei der die Betr. betreffenden Ordnungswidrigkeit nebst öffentlichem Schlüssel auf einem durch den Betr. übersandten versiegelten Datenträger zu übersenden.
2 Aus den Gründen:
"… II. Die Bußgeldbehörde kann mit der von ihrer verfassten Begründung die Übersendung der Falldatei der konkreten Messung nicht ablehnen."
Die Betr. hat einen Anspruch auf Übersendung der Falldatei der konkreten Messung. Diese Falldatei nebst öffentlichem Schlüssel ist ihr zur Verfügung zu stellen. Diese Daten sind der Betr. auf einem durch ihr zur Verfügung gestellten Datenträger, der bei Übersendung versiegelt sein muss, zu speichern.
Die Argumentation der Verwaltungsbehörde verfängt nicht. Das OLG Frankfurt a.M. verbietet es in seinem Beschluss gerade nicht, dass die Falldatei der konkreten Messung zur Verfügung gestellt wird.
Ob der “Falldatei'-Anforderer über das nötige Auswerteprogramm verfügt, hat die Verwaltungsbehörde nicht zu interessieren. Es ist Sache des Anforderers ein solches Programm vorzuhalten.
Sofern eine Übersendung der konkreten Falldatei nicht binnen einer Woche ab Zugang dieses Schreibens erfolgt, ist über eine Beschlagnahme dieser Datei zu entscheiden. …“
Mitgeteilt von Ass. jur. Alexander Gratz, Bous
zfs 6/2019, S. 354 - 355