VVG § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 § 9 Abs. 1 § 152 Abs. 2
Leitsatz
Die Belehrung gem. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VVG muss sich nicht auch auf die Folgen einer unrichtigen Belehrung gem. § 9 Abs. 1 S. 2 sowie § 152 Abs. 2 S. 2 VVG erstrecken.
BGH, Urt. v. 27.3.2019 – IV ZR 132/18
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung einer fondsgebundenen Rentenversicherung. Am 18.12.2008 beantragte der Kl. bei der Bekl. den Abschluss einer Rentenversicherung mit Wirkung zum 1.1.2009. Vor der Unterschriftszeile heißt es im Antrag:
Zitat
"Liegt der Versicherungsbeginn vor Ablauf der 30-tägigen Widerrufsfrist, bin ich damit einverstanden, dass der Versicherungsschutz mit dem Versicherungsbeginn einsetzt (wenn dies nicht gewünscht ist, bitte streichen)."
Vertragsbestimmungen, insb. die AVB Verbraucherinformation nach § 7 VVG, erhielt der Kl. zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Bekl. übersandte ihm mit Schreiben vom 5.1.2009 den Versicherungsschein und weitere Unterlagen, insb. die AVB und die Verbraucherinformation. Auf der zweiten Seite der Verbraucherinformation befindet sich eine Widerrufsbelehrung, die über das Widerrufsrecht, den Beginn der Widerrufsfrist und über Widerrufsfolgen informiert.
Der Kl. zahlte sodann die monatlichen Prämien im Zeitraum vom 1.1.2009 bis 1.1.2016. Am 24.11.2015 erklärte er den "Widerspruch/Rücktritt/Widerruf gegen das Zustandekommen des vorgenannten Versicherungsvertrages gem. §§ 5a, 8 VVG a.F. bzw. §§ 8, 9, 152 VVG n.F." und sprach hilfsweise die Kündigung des Vertrages aus. Die Bekl. akzeptierte lediglich die Kündigung und zahlte dem Kl. zum Abrechnungsdatum 1.1.2016 einen Rückkaufswert i.H.v. 14.432,33 EUR aus.
2 Aus den Gründen:
"… [5] Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg."
[7] II. (…) Dem K. steht kein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Versicherungsprämien und Herausgabe der von der Bekl. gezogenen Nutzungen aus der fondsgebundenen Rentenversicherung zu. Er hat seine auf den Abschluss des Versicherungsvertrages gerichtete Vertragserklärung nicht fristgerecht innerhalb von 30 Tagen gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 152 Abs. 1 VVG widerrufen. Gem. § 8 Abs. 2 S. 1 VVG beginnt die Widerrufsfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem dem VN der Versicherungsschein und die Vertragsbestimmungen einschließlich der AVB sowie die weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 VVG (Nr. 1) und eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs (Nr. 2) zugegangen sind.
[8] 1. Das BG hat rechtsfehlerfrei – und von der Revision zu Recht nicht angegriffen – festgestellt, dass der Versicherungsvertrag rechtswirksam zustande gekommen ist. Für die Wirksamkeit der Einigung über den Abschluss eines Versicherungsvertrages ist es unerheblich, ob der VR die in § 7 Abs. 1 S. 1 VVG bestimmten Pflichten erfüllt hat (Senat. BGHZ 215, 126, Rn 16–21). Wie der Senat ferner entschieden und im Einzelnen begründet hat, beginnt die Widerrufsfrist gem. § 8 Abs. 2 S. 1 VVG auch dann mit dem Zugang der Widerrufsbelehrung und der weiteren dort genannten Unterlagen, wenn der VR – wie hier – entgegen § 7 Abs. 1 S. 1 VVG dem VN nicht vor Abgabe von dessen Vertragserklärung seine Vertragsbestimmungen und die weiteren Informationen mitgeteilt hat (Senat. a.a.O., Rn 30–32; ferner VersR 2018, 211, Rn 10).
[9] 2. Die dem Kl. mit dem Schreiben der Bekl. vom 5.1.2009 erteilte Widerrufsbelehrung ist formal ordnungsgemäß und entgegen der Ansicht der Revision auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Widerrufsfrist des Kl. war mithin im Zeitpunkt des Widerrufs am 24.11.2015 abgelaufen.
[10] a) In der Widerrufsbelehrung wird der Kl. bzgl. der Widerrufsfolgen zutreffend gem. § 9 Abs. 1 S. 1, § 152 Abs. 2 S. 1 VVG belehrt. Ob die Belehrung auch den – hier fehlenden – Hinweis auf die Rechtsfolgen im Falle unrichtiger Belehrung nach § 9 Abs. 1 S. 2, § 152 Abs. 2 S. 2 VVG enthalten muss, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine derartige allgemeine Hinweispflicht auf sämtliche Folgen des Widerrufs sowohl für den Fall ordnungsgemäßer als auch fehlerhafter Belehrung gem. §§ 9, 152 VVG angenommen (Bruck/Möller/Knops, VVG, 9. Aufl., § 9 Rn 12). Die überwiegende Auffassung hält eine gesonderte Hinweispflicht auf die Folgen fehlerhafter Belehrung demgegenüber nicht für erforderlich (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 9 Rn 11).
[11] b) Die letztgenannte Ansicht trifft zu. Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VVG spricht nur allgemein davon, dass für den Beginn der Widerrufsfrist unter anderem eine Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs erforderlich ist. Dies lässt zwar eine Auslegung sowohl des Inhalts zu, dass nur über die Folgen einer ordnungsgemäßen Belehrung gem. § 9 Abs. 1 S. 1, § 152 Abs. 2 S. 1 VVG zu belehren ist, als auch eine solche, nach der auch über die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Belehrung gem. § 9 Abs. 1 S. 2, § 152 Abs. 2 S. 2 VVG zu belehren ist. Gegen eine Belehrung auch über die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Belehrung spricht aber der Sinn und Zweck der Widerrufsbelehrung. Sie soll dem VN verdeut...