ARB 1975 § 4 Abs. 1 d
Leitsatz
Der in § 4 Abs. 1 Buchst. d) ARB 1975 geregelte Risikoausschluss für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen setzt voraus, dass derjenige, dessen rechtliche Interessen wahrgenommen werden, bereits gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person geworden ist.
BGH, Urt. v. 6.3.2019 – IV ZR 727/18
Sachverhalt
Der Kl. begehrt aus einer Rechtsschutzversicherung die Freistellung von Rechtsanwaltskosten. Die Bekl. ist vom VR als Schadensabwicklungsunternehmen mit der Leistungsbearbeitung beauftragt.
Dem Versicherungsvertrag liegen die ARB 1975/2001. Versichert ist unter anderem Familien- und Verkehrs-Rechtsschutz für Lohn- und Gehaltsempfänger, der nach § 26 Abs. 3 Buchst. c) ARB 1975/2001 "die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen" umfasst. Gem. § 4 Abs. 1 Buchst. d) ARB 1975/2001 bezieht sich der Versicherungsschutz "nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen (…) aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen".
Der Kl. war bei einer GmbH beschäftigt. Im April 2014 schloss er mit dieser einen neuen Vertrag ab, der folgende Präambel enthielt:
Zitat
"Der Arbeitnehmer ist seit dem 1.12.2013 […] als "Leiter Produktmanagement/Einkauf, Mitglied der Geschäftsleitung" für den Arbeitgeber tätig. Es ist beabsichtigt, den Arbeitnehmer im Laufe des Geschäftsjahres 2014 in die Geschäftsführung des Arbeitgebers zu berufen. Im Hinblick auf die Berufung des Arbeitnehmers in die Geschäftsführung soll bereits jetzt der bestehende Dienstvertrag […] einvernehmlich aufgehoben und durch den vorliegenden Geschäftsführerdienstanstellungsvertrag ersetzt werden."
Die Vertragsbestimmungen sollten teilweise ab dem Zeitpunkt der Berufung des Kl. in die Geschäftsführung der GmbH und teilweise unabhängig hiervon gelten.
Zu der beabsichtigten Berufung des Kl. in die Geschäftsführung kam es nicht. Vielmehr wurde dem Kl. im Jahr 2015 mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gedroht. Er wurde von unternehmerischen Entscheidungen ausgeschlossen und aus der Geschäftsleitungsrunde ausgeladen.
Der Kl. beauftragte daraufhin eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Bekl. lehnte eine Deckungszusage ab. § 4 Abs. 1 Buchst. d) ARB 1975/2001 vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sei.
2 Aus den Gründen:
"… [13] Dem Kl. steht der gegen die Bekl. geltend zu machende (§ 126 Abs. 2 S. 1 VVG) Freistellungsanspruch gem. § 2 Abs. 1 Buchst. a), § 14 Abs. 3 S. 1, § 26 Abs. 3 Buchst. c) ARB 1975/2001 in der vom LG zugesprochenen Höhe zu."
[14] 1. Die Streitigkeit zwischen dem Kl. und der GmbH ist nach § 26 Abs. 3 Buchst. c) ARB 1975/2001 vom Versicherungsschutz umfasst. Der Kl. hat rechtliche Interessen aus einem bedingungsgemäßen Arbeitsverhältnis wahrgenommen. Das ergibt die Auslegung der genannten Klausel. (…)
[17] b) Der durchschnittliche VN versteht unter einem Arbeitsverhältnis das Dauerschuldverhältnis zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber (vgl. dazu OLG Saarbrücken zfs 2010, 280), das von freiberuflicher und/oder selbständiger Tätigkeit abzugrenzen ist (vgl. OLG Karlsruhe VersR 2016, 391). Kennzeichnend für ein Arbeitsverhältnis ist nach landläufigem Verständnis, dass der Arbeitnehmer als Gegenleistung für eine fremdbestimmte Arbeit, bei der er den Weisungen seines Arbeitgebers unterliegt, Lohn oder Gehalt bezieht. Dass das Arbeitsverhältnis i.S.d. § 26 Abs. 3 Buchst. c) ARB 1975/2001 auch von Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen abzugrenzen ist, wird sich dem durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten VN hingegen nicht erschließen, weil der eigens in § 4 Abs. 1 Buchst. d) ARB 1975/2001 geregelte Leistungsausschluss für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus solchen Anstellungsverträgen es gerade nahelegt, dass auch sie anderenfalls vom Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers erfasst wären. Denn der VN wird nicht annehmen, dass der VR mit dem Risikoausschluss eine überflüssige Regelung treffen wollte.
[18] Nach diesen Maßstäben stellte die Tätigkeit des Kl. auch unter Geltung des neuen Vertrages von April 2014 ein bedingungsgemäßes Arbeitsverhältnis dar, weil der Kl. für die ihn beschäftigende GmbH weisungsgebunden tätig war.
[19] c) Ob es sich bei dem in § 26 Abs. 3 Buchst. c) ARB 1975/2001 verwendeten Begriff des Arbeitsverhältnisses um einen fest umrissenen Begriff der Rechtssprache handelt, bei dessen Auslegung (…) die im Arbeitsrecht entwickelten Kriterien herangezogen werden müssen, kann hier offenbleiben, weil im Streitfall daraus kein anderes Ergebnis folgt.
[20] aa) Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich nach der Rspr. des BAG von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflic...