BGB § 254 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
Ein Unfallgeschädigter kann aufgrund der ihn gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB treffenden Schadensminderungspflicht auch dann gehalten sein, ein ihm vom Kfz-Haftpflichtversicherer vermitteltes günstigeres Mietwagenangebot in Anspruch zu nehmen, wenn dem günstigeren Angebot ein Sondertarif zugrunde liegt, der ihm ohne Mithilfe des Versicherers außerhalb eines Unfallersatzgeschäfts nicht zur Verfügung stünde.
BGH, Urt. v. 12.2.2019 – VI ZR 141/18
Sachverhalt
Die Kl. betreibt ein Mietwagenunternehmen und verfolgt im Rahmen einer Sammelklage (fünf Fälle) die Verurteilung der beklagten Haftpflichtversicherung aus abgetretenem Recht zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten. Die Haftung der Bekl. dem Grunde nach ist unstreitig. Bei der Regulierung wies die Bekl. auf günstigere Mietwagenpreise überregionaler Anbieter hin, die auf vereinbarten Sonderkonditionen für Haftpflichtversicherungen beruhten. Das AG lehnte die Kürzung der restlichen Mietwagenkosten entsprechend den Sonderkonditionen ab und verurteilte die Bekl. in vollem Umfang.
Zur Begründung führte das AG an, der Geschädigte müsse sich Sonderkonditionen zur Bestimmung der Mietwagenkosten ebenso wie Sonderkonditionen bei von Stundenverrechnungssätzen im Rahmen einer abstrakten Reparaturkostenabrechnung nicht entgegenhalten lassen. Die Berufungsentscheidung folgte dieser Begründung des AG nicht.
Das BG ging davon aus, dass der Geschädigte zur Schadensgeringhaltung verpflichtet gewesen seien, von den günstigeren Mietwagenpreisen anderer Anbieter zu profitieren Die Rechtsprechung zur Unbeachtlichkeit von Sonderkonditionen im Rahmen des Verweises des Geschädigten auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit sei auf das Verhältnis des Geschädigten zur Mietwagenfirma nicht übertragbar.
Mietwagenkosten dienten nur dem Ersatz des unfallbedingten Nutzungsausfalls, während Reparaturarbeiten weitergehend der Wiederherstellung des verletzten Rechtsguts dienten.
Die zugelassene Revision der Kl. hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… [24] Dass sich ein ordentlicher und verständiger Mensch bei Vorliegen inhaltlich vergleichbarer Mietwagenangebote für das (im Streitfall: wesentlich) günstigere Angebot entscheiden würde, liegt jedenfalls dann auf der Hand, wenn – wie im Streitfall – Anhaltspunkte für die fehlende Seriosität des günstigeren Anbieters und seines Angebots nicht ersichtlich sind. Dies gilt auch dann, wenn bei unfallbedingter Anmietung das günstigere Angebot auf der Vermittlung des Haftpflichtversicherers des Schädigers beruht. Dementsprechend hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen, dass das Angebot des Haftpflichtversicherers des Schädigers an den Geschädigten, ihm ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung zu stellen oder zu vermitteln, beachtlich sein kann (Senatsurt. vom 26.4.2016 – VI ZR 563/15). Denn die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges ist anders als die Reparatur (…) oder die Verwertung der beschädigten Sache (…) nicht mit einer unmittelbaren Einwirkung auf das verletzte Rechtsgut, also auf das Eigentum am beschädigten Fahrzeug, verbunden."
[25] Unerheblich ist, dass den von der Bekl. aufgezeigten günstigeren Anmietmöglichkeiten nach den Feststellungen des BG Sondertarife zugrunde lagen. (…)
[29] Ihre Annahme, es handele sich dabei um unzulässige Verträge zu Lasten Dritter, trifft nicht zu. Dass die Vereinbarungen – wie für einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter erforderlich – nach ihrem Inhalt unmittelbar Rechtswirkung zulasten der Geschädigten entfalten sollen, ist weder vom BG festgestellt noch sonst ersichtlich. Dass sich Geschädigte im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht gegebenenfalls nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB auf Angebote einlassen müssen, die auf der Grundlage der Vereinbarungen zwischen Versicherer und Mietwagenunternehmen entstanden sind, ist lediglich mittelbare Folge dieser Vereinbarungen.
[30] Soweit sich die Revision darauf beruft, die zwischen Versicherer und Mietwagenunternehmen getroffenen Vereinbarungen seien kartellrechtswidrig, zeigt sie über die entsprechende Rechtsbehauptung hinausgehenden und von den Vorinstanzen übergangenen Tatsachenvortrag nicht auf.
[31] Schließlich erweist sich auch die Rüge der Revision nicht als durchgreifend, das BG habe hinsichtlich Fall 1 außer Betracht gelassen, dass der Versicherungsnehmer der Bekl. den Schaden bei Anmietung des Ersatzfahrzeugs durch den Geschädigten B. noch gar nicht gemeldet gehabt habe und eine Klärung lediglich in Aussicht gestellt worden sei. Dieser Umstand ist im Rahmen des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB nicht erheblich. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Obliegenheit des Geschädigten, den Schaden gering zu halten, ist in Kfz-Schadensfällen davon unabhängig, ob der Schädiger den Schadensfall bereits seinem Haftpflichtversicherer gemeldet hat. Auch macht die fehlende Zusage des Haftpflichtversicherers, den Schaden dem Grunde nach (voll) zu übernehmen, es dem Geschädigten nicht unzumutbar, eine ihm vom Haftpflichtversicherer aufgezeigte, für ihn ohne Weiteres zugängliche günstigere Anmietmöglich...