BGB §§ 249 Abs. 2 S. 1, 254 Abs. 2, 843 Abs. 4; ZPO § 287
Leitsatz
Sind dem Geschädigten von markengebundenen Fachwerkstätten auf dem allgemeinen regionalen Markt Großkundenrabatte für Fahrzeugreparaturen eingeräumt worden, die er ohne weiteres auch für die Reparatur des Unfallfahrzeugs in Anspruch nehmen könnte, so ist dies ein Umstand, der im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auch bei fiktiver Schadensabrechnung grds. zu berücksichtigen ist.
BGH, Urt. v. 29.10.2019 – VI ZR 45/19
Sachverhalt
Die Kl., ein großes, international tätiges Autovermietungsunternehmen, rechnete nach einem Verkehrsunfall den Schaden fiktiv ab. Die beklagte Haftpflichtversicherung setzte in der Schadensabrechnung die von der Kl. angesetzten UPE-Aufschläge, den Kleinteilaufschlag und einen Teil der Lackmaterialkosten mit der Begründung ab, die Kl. erhalte als Großkundin bei Reparaturen einen Rabatt, sodass bei einer durchgeführten Reparatur die von ihr abgesetzten Positionen nicht anfielen. Diesen Großkundenrabatt müsse sich die Kl. bei fiktiver Abrechnung anrechnen lassen. Das AG hat der Klage weit überwiegend stattgegeben. Das LG, das die Berufung der Bekl. zurückgewiesen hat, lehnte eine Berücksichtigung des Großkundenrabatts bei der fiktiven Abrechnung ab. Die zugelassene Revision der Bekl. hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"…"
[5] Das BG ist der Auffassung, im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung seien (Großkunden-)Rabatte nicht schadensmindernd zu berücksichtigen. Die Kl. habe daher nicht vorzutragen, ob und von wem sie Nachlässe (auf UPE-Aufschläge und auch sonst) erhalte. Anderenfalls werde im Ergebnis die grds. anzuerkennende Möglichkeit der fiktiven Schadensabrechnung in Frage gestellt, indem der fiktive, also übliche bzw. durchschnittliche Aufwand zu stark von den konkreten Fallumständen abhängig gemacht würde und zu diesem Zweck sogar die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast auf den Kopf gestellt würden. Im Allgemeinen genüge es im Rahmen der fiktiven Abrechnung, ein hinreichend ausführliches und begründetes Sachverständigengutachten vorzulegen. Das Postulat der subjektbezogenen Schadensbetrachtung sei nur insoweit ein Korrektiv, als es um die Erstattung wirtschaftlich regelrecht unvernünftiger Reparaturkosten gehe. Es handle sich nicht nur oder nicht in erster Linie um ein beschränkendes Korrektiv, sondern mit der Forderung, “Rücksicht' auf die Situation des Geschädigten zu nehmen, um einen den Geschädigtenschutz bezweckenden Grundsatz, der in Ergänzung zum Totalreparations- und Dispositionsgrundsatz stehe. Die Anrechnung von Rabatten bei fiktiver Abrechnung würde bewirken, dass dem Schädiger gegen einen fiktiven Instandsetzungsaufwand ein konkreter Abrechnungseinwand zugestanden werde. Ein Rabattvorteil und damit eine Besserstellung oder Bereicherung des Geschädigten werde so lange nicht realisiert, als keine konkrete Reparatur in Anspruch genommen werde. Solange nicht feststehe, ob überhaupt und in welchem Umfang repariert werde, worüber der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung gerade nicht rechenschaftspflichtig sei, lasse sich auch nicht feststellen, ob eine wie auch immer geartete Besserstellung des Geschädigten überhaupt drohe. Müsste sich der fiktiv abrechnende Geschädigte einen Großkundenrabatt anrechnen lassen, würde seine Dispositionsfreiheit zwischen fiktiver und konkreter Abrechnung dahingehend eingeschränkt, dass er stets die für den Schädiger günstigere Alternative der Reparatur wählen müsste, um keinen Vermögensverlust zu erleiden. Abgesehen davon gäbe es keinen Grund, es der Bekl. zugute kommen zu lassen, wenn es der Kl. aufgrund ihrer Größe, ihres Verhandlungsgeschicks oder ihres unternehmerischen Netzwerks tatsächlich möglich sein sollte, günstige Reparaturkonditionen auszuhandeln, zumal die Bekl., im Gegensatz zur Kl., keinerlei Gegenleistung erbringe. Die Rechtsprechung des BGH, wonach sich ein Geschädigter im Rahmen der konkreten Schadensabrechnung einen Werksangehörigenrabatt anrechnen lassen müsse, den er aufgrund einer Betriebsvereinbarung auf die Werkstattrechnung erhalte, sei auf den vorliegenden Fall der fiktiven Abrechnung nicht übertragbar. Anders als hier habe im dort entschiedenen Fall der Geschädigte aufgrund einer bereits vor dem Schadensfall bestehenden Betriebsvereinbarung einen regelrechten Anspruch auf Inanspruchnahme der kostengünstigeren Reparaturmöglichkeit mit Werksangehörigenrabatt gehabt. Insb. habe infolge der dort konkret erfolgten Reparatur positiv festgestanden, dass der Rabatt in Anspruch genommen worden sei. Im Übrigen sei es unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit ausgesprochen problematisch und marktwirtschaftlich schlichtweg verfehlt, über den Umweg des Schadensersatzrechts die unternehmerischen Wahlmöglichkeiten gerade von großen und marktstarken Akteuren wie der Kl. dahingehend beschneiden zu wollen, dass man ihnen die Möglichkeit der freien fiktiven Schadensabrechnung unter Hinweis auf bereits bestehende Geschäftsbeziehungen nehme. Wenn der Schädiger d...