Nach aktuellem Kenntnisstand kann die Corona-Pandemie grundsätzlich nur in Ausnahmefällen – und auch da in den allermeisten Fällen nur vorübergehend – bei der Abfindung von Schadenersatzansprüchen aufgrund von Unfällen oder Behandlungsfehlern deren Reduzierung zur Folge haben.
Im Gegenteil muss bedacht werden, dass sich durch die coronabedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens, aber auch der medizinischen Versorgung, Veränderungen mit sonst nicht bestehenden Schwierigkeiten ergeben. Insbesondere beim Verdienstschaden und beim Haushaltsführungsschaden, aber auch beim Mehrbedarf muss bedacht werden, dass sich das berufliche, häusliche und pflegerische Umfeld verändern kann mit der Folge einer eher ggf. deutlichen Erhöhung des Schadens als einer Reduzierung.
Zudem können Probleme bei der medizinischen Versorgung zu einer Erhöhung insbesondere von Schmerzensgeldansprüchen, aber aber auch bezüglich anderer Schadenpositionen führen.
Die Beteiligten – Schädiger und Geschädigter – sollten dennoch grundsätzlich davon ausgehen, dass Abfindungsvergleiche in der Regel weiterhin so abgeschlossen werden können, wie bisher. Eine Dramatisierung und vor allem Instrumentalisierung der Corona-Pandemie zulasten der Geschädigten ist sowohl angesichts der bekannten Fakten als auch der Rechtslage, insbesondere der Beweissituation, nicht angebracht. Gleichwohl müssen umgekehrt die genannten Risiken bedacht werden. Versuche, die berechtigten Ansprüche geschädigter Personen durch pauschale Berufung auf die Corona-Pandemie zu reduzieren, sind allerdings hinsichtlich des Beweismaßes des § 287 ZPO nicht haltbar.
Die sich im Hinblick auf den "Corona Einwand" ergebenden rechtlichen Fragestellungen sind letztlich nichts Neues, sie begegnen dem Haftungsrechtler in anderem, altbekannten Gewand in fast jeder Akte. Neu sind die Einwände grundsätzlich somit nicht, wenn es auch der Virus sein mag. Die zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumente wie Beweismaß und Beweislast sowie die Frage der Mitursächlichkeit sind ohne Weiteres geeignet, auch diese scheinbar neuen Fragen zufriedenstellend zu klären. Nur unter Erfüllung der genannten Voraussetzungen ist für den Einwand der überholenden Kausalität durch eine Corona-Erkrankung überhaupt Raum.
Autor: Rechtsanwalt Helmut Gräfenstein, Niedernhausen/Ts.; Rechtsanwältin Irem Scholz, Fachanwältin für Medizinrecht, Montabaur
zfs 6/2020, S. 313 - 317