1. Wie oben ausgeführt, führt wohl eine überstandene Corona-Infektion grundsätzlich – Stand jetzt – im Regelfall nicht per se zu einer weiteren Verschlimmerung der schadenbedingten Beeinträchtigungen. Auswirkungen auf den Verdienstschaden könnte bezüglich der körperlichen Folgen allenfalls eine vorübergehende coronabedingte Krankschreibung von Beginn der Infektion bis zur Heilung haben. Die wäre dann natürlich schadenunabhängig.
Auch da wird der Schädiger – bei Abfindungsvergleichen ohne eine bis dahin erfolgte Infizierung – aber nicht dartun können, dass dieser Verlauf mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, d.h., dass sich der Geschädigte überhaupt infizieren würde.
Anders ist es, wenn sich der Geschädigte vor Vergleichsabschluss tatsächlich infiziert und deshalb krankgeschrieben wird. Ein daraus resultierender Verdienstschaden kann nicht ohne Weiteres dem Schädiger zur Last fallen.
Allerdings kann durchaus ein vorgeschädigter Mensch – man denke z.B. an eine schadenbedingte Lungenschädigung – vulnerabler sein als ein nicht geschädigter. Auch ist es denkbar, dass der Verlauf der Infektion durch den Vorschaden schwerer ist als er es ohne diesen gewesen wäre.
Denn bei einer unfall-/behandlungsfehlerbedingten Lungenschädigung und der dadurch verursachten Vulnerabilität im Zusammenwirken mit Corona kommt es zu einer Gesundheitsschädigung, die auch (!) durch den Unfall/Behandlungsfehler verursacht wurde. Hier muss der Schädiger also doch wieder haften, wenn durch das Zusammenwirken ein weiterer Gesundheitsschaden eingetreten ist.
2. Denkbar ist aber der Einwand, dass bei Arbeitgebern insbesondere im Bereich der Klein- und mittelständischen Unternehmen möglicherweise verstärkt Insolvenzen drohen und deshalb der schadenunabhängige Verlust des Arbeitsplatzes zu erwarten sei. Ob tatsächlich eine Insolvenzwelle eintritt oder ob Kündigungen drohen, muss aber abgewartet werden. Gerade angesichts der massiven finanziellen Hilfen durch den Staat, der damit genau das verhindern möchte, ist zunächst einmal zu erwarten, dass dieses Szenario gerade nicht eintreten wird.
Zudem ist das Risiko einer coronabedingten Insolvenz bei den verschiedenen Branchen völlig unterschiedlich. Besonders belastet sind vor allem die Autoindustrie nebst Zubehörlieferanten, Chemie-/Pharmaunternehmen, Tourismus, Luftfahrt etc. Weniger gefährdet sind dagegen Unternehmen z.B. im Bereich Ernährung, Bau oder Papier.
Wie immer muss auch diesbezüglich der Schädiger im konkreten Einzelfall Anknüpfungspunkte dartun und beweisen, dass gerade der Geschädigte einem solchen Risiko mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unterliegt, was in der Regel auch hier sehr schwierig sein dürfte.
Sollte dieser Beweis gemäß § 287 ZPO im Einzelfall tatsächlich einmal gelingen, führt das aber keineswegs zwangsläufig zu einer dauerhaften Reduzierung des Verdienstschadens.
Ist der Geschädigte aufgrund des Schadenfalles voll erwerbsunfähig, ist nach der Rechtsprechung des BGH davon auszugehen, dass er im Falle eines Verlustes des Arbeitsplatzes infolge einer coronabedingten Insolvenz des Arbeitgebers bei entsprechenden fiktiven Bemühungen einen neuen Arbeitsplatz gefunden hätte. Wenn überhaupt, kommt deshalb allenfalls für die Zeit der fiktiven Arbeitsplatzsuche eine ganz kurzzeitige Realisierung einer überholenden Kausalität in Betracht. Insbesondere bei längeren Laufzeiten eines schadenbedingten Verdienstausfalles wird sich das bei einer Abfindung aber so gut wie nicht auswirken.
Kann der Geschädigte aufgrund des Schadenfalles trotz körperlicher Beeinträchtigungen mit entsprechendem (Minder-)verdienst arbeiten, besteht als Folge eines coronabedingten Arbeitsplatzverlustes allerdings die Möglichkeit, dass sich ein Verdienstschaden – u.U. erheblich – erhöht oder überhaupt erst entsteht. Bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle befindet sich der Geschädigte dann mit seinen aufgrund des Schadenfalles weiterhin bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Konkurrenz mit gesunden Mitbewerbern, so dass es sehr fraglich, wenn nicht sogar unmöglich ist, ob bzw. dass er sich mit seiner Bewerbung dagegen durchsetzen kann. Hier kann eine Insolvenz eines Arbeitgebers oder eine coronabedingte Entlassung (soweit diese aufgrund der Behinderungen überhaupt zulässig ist) also durchaus dazu führen, dass ein Geschädigter plötzlich auf Dauer ohne Arbeit dasteht, weil er aufgrund der wegen des schädigenden Ereignisses bestehenden Beeinträchtigungen gegenüber gesunden Mitbewerbern schlechtere Chancen hat. Das müsste sich dann allerdings vollumfänglich der Schädiger zurechnen lassen, jedenfalls so lange, wie die schadensbedingte erfolglose Suche nach einem Arbeitsplatz anhält. Im Extremfall kann es, wie gesagt, sogar sein, dass der Geschädigte gar keinen neuen Arbeitsplatz mehr findet.
Im Ergebnis kommt somit im Rahmen einer Abfindung eine Reduzierung des künftigen Verdienstschadens wegen der Corona-Pandemie vor allem bei den Großschäden und auf lange Sicht...