AKB A 2.2.3
Leitsatz
1. Eine Wasseransammlung auf einer Straße von bis zu 90 cm Tiefe nach einem Starkregen ist eine Überschwemmung im Sinne der üblichen Bedingungen in der Teilkaskoversicherung.
2. Der Versicherungsschutz in der Teilkaskoversicherung greift nicht nur dann ein, wenn eine Überschwemmung ein stehendes oder geparktes Fahrzeug ergreift. Vielmehr besteht Versicherungsschutz auch dann, wenn ein Fahrzeug in einen überschwemmten Bereich der Straße hineinfährt, und dort durch das stehende Wasser beschädigt wird.
3. Eine "unmittelbare Einwirkung" der Überschwemmung auf das Fahrzeug liegt vor, wenn sich das Fahrverhalten des Fahrzeugführers darauf beschränkt, dass er auf der von ihm befahrenen Straße "normal" weiterfährt, und auf diese Weise in den überschwemmten Straßenbereich hineingerät.
4. Ein fahrlässiges Verhalten des Fahrzeugführers, der seine Fahrt trotz der Wasseransammlung in Verkennung der Gefahr fortsetzt, ändert nichts daran, dass der Schaden am Fahrzeug durch eine unmittelbare Einwirkung der Überschwemmung entstanden ist.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.10.2019 – 9 U 4/18
Sachverhalt
Nach einem Schadensfall vom 8.6.2016 hat die Kl. Ansprüche aus einer Teilkasko-Versicherung geltend gemacht. In den AKB heißt es:
"A.2.2.3"
Sturm, Hagel, Blitzschlag, Überschwemmung
Versichert ist die unmittelbare Einwirkung von Sturm, Hagel, Blitzschlag oder Überschwemmung auf das Fahrzeug. Als Sturm gilt eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8. Eingeschlossen sind Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden. Ausgeschlossen sind Schäden, die auf ein durch diese Naturgewalten veranlasstes Verhalten des Fahrers zurückzuführen sind.“
Am 8.6.2016 befuhr der Ehemann der Kl. mit dem versicherten Fahrzeug den B.-Ring in V. Es regnete sehr stark. Der Zeuge fuhr in eine Wasseransammlung, die sich auf der Straße durch den Starkregen gebildet hatte. Er ging davon aus, dass er diese Wasseransammlung wie eine normale Pfütze durchfahren konnte. Die Wasseransammlung hatte zu diesem Zeitpunkt eine Höhe von 10–15 cm erreicht. Aufgrund eines sogenannten Wasserschlags ging der Motor während des Durchfahrens der Wassersammlung aus. Das Fahrzeug ließ sich nicht mehr starten und blieb stehen. Die Wasseransammlung auf der Straße erreichte durch den Starkregen binnen kurzer Zeit eine Höhe von 90 cm. Es drang Wasser in das Fahrzeug ein. Dieses erlitt unstreitig einen Totalschaden.
2 Aus den Gründen:
"… 1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte wegen des Schadensfalls vom 8.6.2016 ein Anspruch aus der Teilkasko-Versicherung zu. (…)"
a) Bei dem Ereignis vom 8.6.2016 in V. handelte es sich um eine Überschwemmung im Sinne von A.2.2.3 AKB 2008. Der Begriff ist nicht auf über die Ufer getretene Gewässer beschränkt, sondern schließt auch die Überschwemmung auf einer Straße durch einen Starkregen mit ein (vgl. BGH, VersR 1964, 712; Klimke in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 30. Aufl. 2018, AKB 2015 A.2.2.1 Rn 56). Die Wasseransammlung, die am 8.6.2016 in V. auf dem B-Ring eine Höhe von bis zu 90 cm erreichte, entspricht diesem Begriff der Überschwemmung.
b) Der Schaden am klägerischen Fahrzeug ist durch eine “unmittelbare Einwirkung' der Naturgewalt Überschwemmung entstanden.
aa) Die Überschwemmung führte dazu, dass Wasser in das Fahrzeug, welches in das Überschwemmungsgebiet geraten war, eindrang. In ein Fahrzeug eindringendes Wasser ist die typische Folge einer Überschwemmung. Die Überschwemmung war damit die letzte Ursache für den Kfz-Schaden (vgl. zum Begriff der Unmittelbarkeit Klimke, a.a.O., AKB 2015 A.2.2.1 Rn 58).
bb) Der Umstand, dass der Zeuge H.G. mit dem Fahrzeug der Kl. in die (zunächst anfangs noch geringere) Wasseransammlung hineingefahren ist, ändert nichts. Das Fahrverhalten des Zeugen, der lediglich seine normale Fahrt fortsetzte, bis der Motor im Bereich der Wasseransammlung aussetzte, ändert an der Unmittelbarkeit nichts. Dies ergibt sich aus A.2.2.3 S. 3 AKB 2008. Danach ist ein Ersatz von Schäden ausgeschlossen, die auf ein durch die Überschwemmung (“durch diese Naturgewalten') veranlasstes Verhalten des Fahrers zurückzuführen sind. Bei dieser Regelung handelt es sich nicht um eine eigenständige Ausschlussklausel. Vielmehr muss ein verständiger VN die Formulierung im Sinne einer Präzisierung und Konkretisierung der eher unbestimmten Formulierung “unmittelbare Einwirkung' verstehen. Das bedeutet: Wenn und soweit das Fahrverhalten eines VN bei der Verursachung eines Überschwemmungs-Schadens eine Rolle spielt, steht dies einer “unmittelbaren Einwirkung' nur dann entgegen, wenn das im Schadensfall relevante Fahrverhalten durch die Naturgewalt veranlasst wurde. “Unmittelbar' verursacht i.S.d. Versicherungsbedingungen ist ein Schaden am Kfz mithin dann nicht, wenn der Fahrzeugführer auf eine Naturgewalt (Überschwemmung) durch Ausweichen, Abbremsen oder Gegenlenken reagiert, und erst dieses von der Naturgewalt verursachte Vermeidungsverhalten den Schaden verursacht (v...