VVG § 93; AGGF 1998 § 19
Leitsatz
Die Wiederherstellung eines durch Brand zerstörten Gebäudes ist nicht schon dann sichergestellt, wenn der Versicherungsnehmer bereits, ohne dass verbindliche Bauverträge vorlägen, Eigenleistungen dazu erbracht hat und zusichert, die Wiederherstellung schon aus persönlichen Motiven vornehmen zu wollen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Hamm, Beschl. v. 10.7.2019 – 20 U 178/18
Sachverhalt
Der Kl. nimmt die Bekl. auf Zahlung einer restlichen Versicherungsleistung nach einem Brandschaden in Anspruch.
Der Kl. und seine Ehefrau waren Eigentümer eines Hauses in C. Für das Haus bestand bei der Bekl. eine Wohngebäudeversicherung zum Neuwert. Dem Vertrag lagen die AGGF 98 zugrunde. § 19 AGGF 98 lautet auszugsweise:
"§ 19 Entschädigungsberechnung; Naturalersatz – Entschädigung in Geld; Unterversicherung
[…]
11. Ist in der Versicherung gemäß §§ 1-5 der Neuwert […] der Versicherungswert, so erwirbt der Versicherungsnehmer auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt, einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um
a) Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen; […]“
Am 12.2.2013 kam es zu einem Brandschaden, bei dem das versicherte Gebäude erheblich beschädigt wurde.
2 Aus den Gründen:
"… 1.
Dem Kl. steht kein Anspruch auf Zahlung desjenigen Betrages zu, der den – bereits an ihn gezahlten – Zeitwertschaden übersteigt.
a) Enthält der Versicherungsvertrag – wie hier in § 19 Nr. 11 AGGF 98 – eine strenge Wiederherstellungsklausel, ist die Sicherstellung der Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Ersatz desjenigen Schadens, der über den Zeitwertschaden hinausgeht. Ohne diese Verwendungssicherstellung oder die Wiederherstellung selbst ist der Anspruch auf den Ersatz des Zeitwertschadens beschränkt (vgl. BGH VersR 2011, 1180 f., Senat VersR 2016, 1116).
Die Beantwortung der Frage, ob die Wiederherstellung in diesem Sinne sichergestellt ist, erfordert eine Prognose, ob bei vorausschauend-wertender Betrachtungsweise eine bestimmungsgemäße Verwendung der Entschädigung hinreichend sicher angenommen werden kann. Es bedarf Vorkehrungen, die – auch wenn sie keine restlose Sicherheit garantieren – jedenfalls keine vernünftigen Zweifel an der Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung aufkommen lassen, um Manipulationen möglichst auszuschließen (…).
b) Gemessen hieran sind die Voraussetzungen für eine Sicherstellung im Sinne von § 19 Nr. 11 AGGF 98 nicht erfüllt.
aa) Aus der Erteilung der Baugenehmigung lässt sich eine bedingungsgemäße Sicherstellung nicht ableiten.
Aus ihr resultiert, mag sie auch Voraussetzung für die Wiederherstellung sein, jedenfalls keinerlei Pflicht zur Errichtung des Gebäudes (Senat VersR 2016, 1112; Gierschek, in: Dietz/Fischer/Gierschek, Wohngebäudeversicherung, 3. Aufl. 2015, § 13 Rn 110; Staudinger, in: Langheid/Wandt, VVG, 2. Aufl. 2016, § 93 Rn 15 …).
bb) Ebenso wenig ergibt sich eine bedingungsgemäße Sicherstellung daraus, dass der Kl. wiederholt versichert hat, er werde eine von der Bekl. gezahlte Neuwertspitze zur Wiederherstellung verwenden.
Wegen der von § 19 Nr. 11 AGGF 98 (auch) beabsichtigten Begrenzung des subjektiven Risikos für den VR (vgl. BGH r+s 2016, 302) kann das bloße Bekunden des VN, er beabsichtige in Zukunft eine Wiederherstellung in Eigenleistung, nicht genügen. Denn durch eine derartige Absichtsbekundung ist nicht gewährleistet, dass tatsächlich eine bedingungsgemäße Wiederherstellung erfolgt.
Der Verweis des Kl. in seiner Stellungnahme vom 17.6.2019 zum Hinweisbeschluss des Senats darauf, dass er das Haus schon wegen des Andenkens an seine verstorbene Ehefrau vollständig wiederherstellen werde, ändert daran nichts. Der Grundsatz, dass bloße Zusicherungen des VN für eine Sicherstellung nicht ausreichen, gilt unabhängig davon, welche Motive dieser für eine spätere Wiederherstellung haben mag.
Auch die in seiner Stellungnahme vom 17.6.2019 vertretene Auffassung des Kl., er mache sich wegen Betruges strafbar, wenn er entgegen seiner Zusicherung später doch keine vollständige Wiederherstellung vornehme, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es gibt zahlreiche Umstände, die dazu führen können, dass der Kl. selbst dann, wenn er gegenwärtig den festen Entschluss zur Wiederherstellung haben sollte, diesen später aufgibt. Eine Strafbarkeit wegen Betruges wäre dann nicht gegeben, woraus deutlich wird, dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine bedingungsgemäße Sicherstellung nicht angenommen werden kann.
cc) Schließlich folgt eine bedingungsgemäße Sicherstellung entgegen der Auffassung des Kl. nicht daraus, dass er nach seinen (von der Bekl. bestrittenen) Behauptungen schon umfangreiche Wiederherstellungsarbeiten “in Eigenregie' durchgeführt hat.
(1) Allerdings steht es einem Anspruch auf Zahlung der Neuwertspitze nicht entgegen, wenn – insbesondere aufgrund...