BGB § 133 § 157 § 362 § 398; AKB Ziff.2.6.3
Leitsatz
Eine Bedingung in den AKB, nach der der Versicherer eine für die Reparatur geeignete Werkstatt auswählt, beauftragt und deren Kosten übernimmt, enthält weder eine Ermächtigung der Werkstatt, die Versicherungsleistung in Empfang zu nehmen noch eine Abtretung des Anspruchs gegen den Versicherer.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Frankfurt a.M., Urt. v. 26.11.2021 – 2-08 S 11/21
Sachverhalt
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Kfz-Vollkaskoversicherungsvertrag.
Den Kl. und die Bekl. verbindet ein Vertrag über eine Kfz-Vollkaskoversicherung. Versichert war das Fahrzeug der Marke P. Dem Versicherungsverhältnis liegen die AKB der Beklagten zu Grunde. Hier heißt es auszugsweise unter Ziffer 2.6.3:
"Sie informieren uns im Reparaturfall. Dann wählen wir eine für die Fahrzeugreparatur geeignete Werkstatt aus unserem Werkstattnetz aus, beauftragen die Werkstatt mit der Reparatur und bezahlen die Kosten (…)"
Im Rahmen eines Vandalismusvorfalls am 31.12.2019 kam es zu Zerkratzungen am streitgegenständlichen Fahrzeug. Die Bekl. und hiesige Berufungsklägerin erkannte die Haftung dem Grunde nach an. Ein DEKRA-Gutachter begutachtete den Schaden, sodann erfolgte eine Verbringung des Fahrzeugs in eine Werkstatt, die sich außer Stande sah, den Schaden zum im Gutachten ermittelten Preis zu beheben. Sodann erfolgte die Verbringung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in eine weitere Werkstatt, die Werkstatt L. Hier unterzeichnete der Kl. ein mit "Einverständniserklärung und Fahrzeugübergabe" überschriebenes Schriftstück, in dem es wie folgt heißt:
"Mit der Durchführung der o.g. Leistungen bin ich einverstanden und übergebe das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennz … die Fahrzeugschlüssel und die dazugehörigen Fahrzeugpapiere. Ich verpflichte mich hiermit, die im Versicherungsvertrag vereinbarte Selbstbeteiligung von 300,00 EUR bei Erhalt meines reparierten Fahrzeugs an die Werkstatt zu entrichten" (…)
Die Bekl. erkannte Netto-Reparaturkosten in Höhe von 6.088,95 EUR und zog eine Wertverbesserung in Höhe von 2.000,00 EUR sowie die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung von 300,00 EUR ab, sodass ein Betrag von insgesamt 3.788,95 EUR verblieb. Der Kl. beschloss, nachdem er das Vertrauen in die Werkstatt verloren hatte, den Schaden fiktiv abzurechnen. Die Bekl. zahlte an den Kl. einen Teilbetrag in Höhe von 1.994,12 EUR.
Die Beklagte hat behauptet, sie habe an die Werkstatt L 1.794,53 EUR ausgezahlt und war der Meinung, sie habe schuldbefreiend an diese leisten können.
2 Aus den Gründen:
Zu Recht und mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung hat das AG die Klage abgewiesen, da die Bekl. weder nach § 362 Abs. 2 BGB von ihrer Leistungspflicht frei wurde, noch eine Abtretung des Kl. an die Werkstatt L vorliegt.
1. Die Bekl. konnte an die Werkstatt L nicht gem. § 362 Abs. 2 BGB schuldbefreiend leisten. Die Leistung an einen Dritten hat nur dann schuldbefreiende Wirkung, wenn der Dritte rechtsgeschäftlich ermächtigt ist, die Leistung in Empfang zu nehmen, oder der Gläubiger dem Schuldner Ermächtigung nach § 362 Abs. 2, § 185 BGB erteilt an den Dritten zu leisten; im Falle der Leistung an einen nichtberechtigten Dritten hat die Leistung für den Schuldner nur dann befreiende Wirkung, wenn der Gläubiger sie nachträglich genehmigt oder wenn einer der beiden anderen Fälle des § 185 Abs. 2 BGB eintritt (MüKoBGB/Fetzer, 8. Aufl. 2019, BGB § 362 Rn 17).
Der Kläger hat unstreitig eine etwaige Leistung der Beklagten an die streitgegenständliche Werkstatt nicht nachträglich genehmigt. Auch kann aus der vom Kläger unterzeichneten Einverständniserklärung weder auf eine Ermächtigung der Werkstatt, die Leistung entgegenzunehmen, noch auf eine Ermächtigung der Bekl., an die Werkstatt zu leisten, geschlossen werden.
Gegen eine Entgegennahmeermächtigung der Werkstatt spricht der eindeutige Wortlaut der Erklärung, nach der der Kl. sich nur mit der Durchführung etwaiger Reparaturleistungen, der Datenweitergabe und der Fahrzeugübergabe einverstanden erklärt, nicht jedoch mit etwaigen Versicherungsleistungen des eigenen Kfz-VR.
Aus der Erklärung, sich zu verpflichten, die im Versicherungsvertrag vereinbarte Selbstbeteiligung von 300,00 EUR bei Erhalt des reparierten Fahrzeugs an die Werkstatt zu entrichten, lässt sich nicht entnehmen, der Kl. sei mit einer schuldbefreienden Leistung durch den VR an die Werkstatt einverstanden. Die Verpflichtung zur Zahlung der Selbstbeteiligung an die Werkstatt setzt eine schuldbefreiende Leistung des VR – anders als die Bekl. meint – nicht voraus. Vielmehr ist entsprechend denkbar, dass der Kl. vor oder nach Regulierung durch den VR an ihn den Werklohn selbst leistet und dem regulierten bzw. noch zu regulierenden Betrag die Selbstbeteiligung hinzufügt.
Auch die Klausel 2.6.3 AKB spricht nicht für eine zumindest stillschweigende Genehmigung durch den Kl. AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenh...