Trotz der für den VN in weiten Teilen positiven Rechtsprechung des BGH führt die fiktive Abrechnung in der Praxis immer wieder zu Differenzen, weil die Schadensfeststellung in der Regel in der Hand des VR liegt, der nur seine eigenen Interessen an einer kostengünstigen Regulierung des Schadens berücksichtigt. Nach A.2.5.3 AKB werden die Kosten eines unabhängigen Sachverständigen nur erstattet, wenn der VR diesen beauftragt oder der Beauftragung zugestimmt hat. Die Kosten eines Sachverständigen oder eines Beistandes hat der VR gemäß § 85 Abs. 2 VVG nicht zu erstatten. Anders als im allgemeinen Schadensrecht sind die Anwaltskosten für die Vertretung gegenüber dem eigenen Kaskoversicherer ohne vorherigen Verzugseintritt deshalb regelmäßig nicht erstattungsfähig. Auch eine Rechtsschutzversicherung hilft hier nicht weiter, weil außergerichtliche Sachverständigenkosten nur in Straf- oder Ordnungswidrigkeiten oder Kfz-Kauf- oder Reparaturverträgen (2.3.1.3 ARB) übernommen werden und für die Übernahme der Anwaltskosten vor Verzugseintritt in der Regel kein Rechtsverstoß im Sinne von 2.4.3 ARB vorliegt. In dieser Situation ist der VN auf die Hilfe und Redlichkeit seines Kaskoversicherers angewiesen, weil es sich bei der Schadensfeststellung nach seinen Vorgaben um eine vom VR beherrschte "Gefahr" handelt, die wiederum zu einem Schaden des VN führen kann. Aufgrund dessen hat der VR eigene (Neben-)Pflichten oder besser Obliegenheiten aus Treu und Glauben des Versicherungsvertrages (§ 242 BGB) den VN zu informieren und bei der Schadensfeststellung auch seine berechtigten Interessen an einer fiktiven Abrechnung zu berücksichtigen. Bei der Durchsetzung des Anspruchs und gerichtlichen Überprüfung steht dann häufig der erstmals im Prozess erhobene Einwand entgegen, dass das obligatorische Sachverständigenverfahren bei Meinungsverschiedenheiten über die Schadenhöhe (A.2.6 AKB) noch nicht durchgeführt wurde und es deshalb an der Fälligkeit des fiktiven Anspruchs fehle.
I. Schadensfeststellung
Der Kaskoversicherer beauftragt regelmäßig eigene oder mit ihm verbundene Sachverständige mit der Begutachtung oder eine Partnerwerkstatt mit der Kalkulation eines Kostenvoranschlages nach seinen Vorgaben. Der VN hat zwar die Möglichkeit, einen Kostenvoranschlag einer anderen Werkstatt einzuholen, was aber in der Regel vom VR nicht akzeptiert wird. Nur ausnahmsweise steht das Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen zur Verfügung, wenn der VN seinen Kaskoversicherer wegen einer (Mit-)Haftung bei einem Haftpflichtschaden in Anspruch nimmt. Für die fiktive Abrechnung ist der VN auf die Kenntnis und Richtigkeit des vom VR in Auftrag gegebenen Gutachtens oder Kostenvoranschlags angewiesen.
1. Herausgabe der Schadenunterlagen
Das vom VR eingeholte Gutachten wird häufig ohne Aufforderung nicht übersandt oder die Herausgabe ganz verweigert, obwohl auch hier eine entsprechende Obliegenheit des VR besteht. Ob diese Pflicht zur Herausgabe auf Treu und Glauben auf § 242 BGB als Rechtsgrundlage gestützt wird, ein Informations- oder Einsichtsrecht aus § 3 Abs. 4 VVG oder analog § 202 VVG besteht, als vertragliche Nebenpflicht des Versicherungsvertrages aus § 241 Abs. 2 BGB oder § 280 BGB hergeleitet oder ein Herausgabeanspruch nach § 810 BGB besteht, kann letztendlich dahingestellt bleiben, weil von Ausnahmen abgesehen, überhaupt kein berechtigtes Interesse des VR an einer Geheimhaltung der Schadenunterlagen zu erkennen ist. Eine Ausnahme kann allenfalls dann angenommen werden, wenn der VN selbst unredlich ist oder ihm eine Obliegenheitsverletzung zur Last gelegt wird, die zur vollständigen Leistungsfreiheit des VR führt und deshalb das Herausgabeverlangen rechtsmissbräuchlich wäre. Ansonsten bleibt es bei der versicherungsvertraglichen Obliegenheit, die Schadenunterlagen dem VN unverzügl...