RVG § 7 Abs. 1 § 15 § 22 Abs. 1; VV RVG Nrn. 1008 3104 3300; FGO § 79a § 149
Leitsatz
1. Für die Entscheidung über eine Erinnerung gegen die Festsetzung der den Beteiligten im Entschädigungsklageverfahren zu erstattenden außergerichtlichen Kosten ist derjenige Spruchkörper zuständig, der die Kostengrundentscheidung erlassen hat. Das ist im Entschädigungsklageverfahren der Senat.
2. Dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 7 Abs. 1 RVG liegt vor, wenn es sich um einen einheitlichen Auftrag handelt, der Rahmen beider Tätigkeiten der gleiche ist und zwischen den einzelnen Gegenständen ein innerer objektiver Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass es sich um einen einheitlichen Lebensvorgang handelt.
3. Werden in derselben Angelegenheit (hier: Entschädigungsklageverfahren) mehrere Gegenstände für einen oder mehrere Auftraggeber geltend gemacht, sind die einzelnen Gegenstandswerte gem. § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen. Nur wenn für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit derselbe Gegenstand verfolgt wird, findet eine Zusammenrechnung der Gegenstandswerte nicht statt. Dafür ist die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV RVG zu erhöhen.
4. In Entschädigungsklageverfahren vor dem BFH fällt keine 1,5 Terminsgebühr nach Nr. 3210 VV RVG, sondern eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG an.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BFH, Beschl. v. 27.11.2020 – X E 4/20
Sachverhalt
Die beiden Kläger bezogen Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. Darüber hinaus erzielte der Kläger als Rechtsanwalt freiberufliche Einkünfte und unterlag der Umsatzsteuerpflicht. Der Kläger leitete zunächst allein wegen nur ihn betreffender Abrechnungsbescheide zur Umsatzsteuer beim FG Düsseldorf ein finanzgerichtliches Verfahren ein. Im Verlaufe dieses Rechtsstreits wurde die Klage auch auf solche Abrechnungsbescheide erweitert, die die Einkommensteuer der zusammen veranlagten Eheleute und damit auch der Klägerin des Ausgangsverfahrens betroffen hatten.
Wegen ihrer Auffassung nach unangemessener Dauer des finanzgerichtlichen Verfahrens machten die Kläger vor dem BFH eine Entschädigung in Höhe von jeweils 1.200 EUR geltend. Der 10. Senat des BFH verurteilte den Beklagten, an jeden der Kläger 1.200 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Entschädigungsklageverfahrens hat der BFH dem Beklagten auferlegt.
Aufgrund dieser Kostenentscheidung haben die Kläger, für jeden von ihnen gesondert, die Festsetzung folgender Kosten nach einem Gegenstandswert in Höhe von jeweils 1.200 EUR in Höhe von 485 EUR beantragt, dabei aber statt der Wertstufe bis 1.500 EUR unzutreffend die Wertstufe bis 2.000 EUR zugrunde gelegt. Unter Berücksichtigung des von den Klägern angesetzten Gegenstandswertes von 1.200 EUR errechnen sich somit folgende Gebühren und Auslagen:
1,6 Verfahrensgebühr, Nr. 3300 VV RVG (Wert: 1.200 EUR) 184,00 EUR
1,5 Terminsgebühr, Nr. 3210 VV RVG (Wert: 1.200 EUR) 172,50 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe: 376,50 EUR
Für beide Kläger ergeben sich daher – bei richtiger Berechnung – 753 EUR statt der von den Klägern tatsächlich geltend gemachten 970 EUR.
Die Kostenstelle des BFH hat in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss die zu erstattenden notwendigen Aufwendungen der Kläger auf insgesamt 582,80 EUR festgesetzt, die sich wie folgt berechnen:
1,6 Verfahrensgebühr, Nr. 3300 VV RVG (Wert: 2.400 EUR) 321,60 EUR
1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 2.400 EUR) 241,20 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe: 582,80 EUR
Mit ihrer hiergegen gerichteten Erinnerung haben die Kläger ihren Kostenfestsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Erinnerung hatte beim 10. Senat des BFH keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[5] II. Für die Entscheidung über die – nach § 149 Abs. 2 Satz 1 FGO statthafte – Erinnerung ist der Senat zuständig.
[6] 1. Eine Zuständigkeit des Einzelrichters ist nicht gegeben. Gemäß § 149 Abs. 4 FGO entscheidet über die Erinnerung das Gericht. Dies ist der Senat, gemäß § 10 Abs. 3 Halbsatz 2 FGO in der Besetzung von drei Richtern. § 149 FGO enthält keine Regelung, die dem – für Erinnerungen gegen den Ansatz der Gerichtskosten geltenden – § 66 Abs. 6 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes entspricht und die Zuständigkeit des Einzelrichters anordnet.
[7] 2. Auch eine Entscheidung durch den – in Entschädigungsklageverfahren im Anwendungsbereich des § 79a FGO grundsätzlich zuständigen (Senatsbeschluss vom 20.2.2013 – X E 8/12, BFH/NV 2013, 763, Rn 7 ff.) – Berichterstatter scheidet vorliegend bereits deshalb aus, da die Kostenentscheidung nicht im vorbereitenden Verfahren ergangen ist …
[9] 3. Gemäß § 149 Abs. 4 FGO entscheidet der Senat über die Erinnerung durch Beschluss.
[10] III. Die Erinnerung ist unbegründet.
[11] 1. Für den Umfang der den Antragstellern "zu erstattenden Aufwendungen" (§ 149 Abs. 1 FGO) bestimmt § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO, dass gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, stets erstattungsfähig sind. Rechtsanwälte wie d...