Die Kl. hat gegen den Bekl. Anspruch auf Zahlung der bedingungsmäßigen monatlichen Unfallrente gemäß §§ 1 S. 1, 178 Abs. 1 VVG. Entgegen der Auffassung des LG durfte die Klage nicht wegen der fehlenden ärztlichen Feststellung eines Dauerschadens binnen der vereinbarten 15-Monatsfrist (Ziff. 2.1.1.1 AUB 2005) abgewiesen werden. Dem Bekl. ist es gemäß § 242 BGB nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles verwehrt, sich auf den Fristablauf zu berufen.
Nach der Rspr. des BGH kann die Berufung des VR auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, etwa dann, wenn ein unveränderlicher Gesundheitsschaden tatsächlich vor Fristablauf in einem ärztlichen Bericht erwähnt worden ist.
Darüber hinaus kann sich die Berufung auf den Fristablauf als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn dem VR bereits bei Fristablauf ein Belehrungsbedarf des VN hinsichtlich der zu wahrenden Frist deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterlässt. Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend macht, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahelegen, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehlt. Gleiches kommt in Betracht, wenn der VR nach der Geltendmachung von Invalidität von sich aus noch innerhalb der Frist zur ärztlichen Feststellung ein ärztliches Gutachten einholt, ohne den VN darauf hinzuweisen, dass er unbeschadet dessen selbst für eine fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität zu sorgen hat (vgl. BGH, VersR 2005, 639). Eine entsprechende Wertung gebietet ein Verhalten des VR, das den Eindruck vermittelt, der VN müsse nun aufgrund eines eigenen Tätigwerdens des VR nichts Weiteres mehr veranlassen (vgl. Kloth, Private Unfallversicherung, 2. Aufl. 2014, Kapitel G, Rn 107).
So liegt es hier. Die formularmäßigen Ausfüllhinweise des Bekl. in dem am 24./25.3.2014 ausgefüllten Vordruck ließen für die Kl. bzw. den mit der Abgabe der Feststellungserklärung beauftragten Arzt den Schluss zu, keine in jeder Hinsicht bestimmte und definitive ärztliche Stellungnahme abgeben zu müssen, da der Bekl. eine genauere Klärung durch Einholung eines Gutachtens selbst herbeiführen und sich deshalb nicht auf den Fristablauf berufen werde.
Zunächst heißt es in dem Formular bei der Frage nach Dauerfolgen: "Wird der Unfall Dauerfolgen hinterlassen, die im ersten Unfalljahr eingetreten sind (hierbei kommt es nicht auf die genaue Feststellung der Dauerfolgen an)". Und weiter: "Wenn ja, worin könnten diese bestehen?". Hieraus kann auch bei aufmerksamer Lektüre der Schluss gezogen werden, dass es ausreiche, lediglich eine oder mehrere Dauerfolgen ohne Ausschließungswirkung für weitere Dauerfolgen schlagwortartig zu benennen, ohne dass eine besondere Sorgfalt geschuldet sei, da es auf die genaue Feststellung nicht ankomme. Zudem erlaubt das Formular hinsichtlich des Invaliditätsgrades die Ankreuzauswahl, dass dieser gutachterlich geklärt werden müsse. Hieraus kann der Eindruck entstehen, dass mit der Auswahl dieses Feldes (wie vorliegend geschehen) das weitere Verfahren der Unfallfolgenfeststellung dem Bekl. übertragen werden könne. Auch konnte der Eindruck entstehen, dass dieser sich jedenfalls dann nicht auf die Feststellungsfrist berufen werde, wenn nach ärztlicher Einschätzung eine erfahrungsgemäß länger dauernde Begutachtung geboten sei, die zuverlässig von der Kl. nur noch dann fristwahrend selbst erwartet werden konnte, wenn ihr das Erfordernis sofortigen weiteren Tätigwerdens deutlich vor Augen geführt worden wäre. Dem Bekl. war deshalb zumindest bei der vorliegenden Sachlage, bei der ihm das Formular erst ca. 2 1/2 Monate vor Ablauf der Feststellungsfrist zuging, gehalten, die Kl. auf den Umstand hinzuweisen, dass von ihr ein weitergehendes eigenes Feststellungsbemühen ausgehen müsse und die Kl. nicht erwarten könne, nichts Weiteres mehr veranlassen zu müssen.
Dies gilt umso mehr, als zwischen den Angaben der versicherten Person und den Angaben des Arztes in Bezug auf die Blasen- und Darmentleerungsstörung eine erhebliche Divergenz besteht. Während die versicherte Person mit Bestimmtheit als Dauerschaden ausdrücklich auch die Blasen- und Darmentleerungsstörung bezeichnete, fehlt diese Dauerfolge in den Angaben des Arztes. Allerdings lag eine entsprechende neurologisch-gastroenterologische/urologische Feststellung auch außerhalb des Fachgebietes der orthopädisch/unfallchirurgisch ausgerichteten Gemeinschaftspraxis B/C, sodass es nach den Angaben des Versicherten für den Bekl. nahelag, dass tatsächlich eine Blasen- und Darmentleerungsstörung vorlag und die Möglichkeit bestand, dass diese deshalb in der Bescheinigung nicht ärztlich festgestellt wurde, weil sie (ebenso wie die nicht attestierte "Konzentrationsschwäche") außerhalb des Fachschwerpunktes der Praxis B/C lag. Diese auffällige Feststellungslücke hätte den Bekl. zu einem entsprechend...