Die Beschwerde, die das Amtsgericht entgegen der Auffassung des Landgerichts in dem Beschluss 46 Qs 59/21 bereits für unzulässig hält, ist jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch auf Zurverfügungstellung der aufgelisteten Unterlagen besteht nicht.
Soweit die Zurverfügungstellung der "Lebensakte" beantragt wird, befindet sich diese bereits in der Akte und wurde der Verteidiger auch bereits zur Verfügung gestellt. Insoweit fehlt es bereits am Rechtsschutzbedürfnis.
Im Übrigen kommt eine Zurverfügungstellung durch das Gericht bereits vor dem Hintergrund nicht in Betracht, als die Unterlagen dem Gericht selbst nicht vorliegen. Darüber hinaus besteht jedoch auch kein Anspruch auf Beiziehung und anschließende Zurverfügungstellung der begehrten Unterlagen.
Zwar sind dem Betroffenen im Rahmen eines Bußgeldverfahrens auf seinen Antrag hin auch solche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die nicht Gegenstand der Akte sind und die das Gericht seiner Entscheidung nicht zugrunde zu legen beabsichtigt. Die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen müssen jedoch zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen. Insofern ist maßgeblich auf die Perspektive des Betroffenen bzw. seines Verteidigers abzustellen. Entscheidend ist, ob dieser eine Information verständiger Weise für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs für bedeutsam halten darf. (BVerfG, NJW 2021, 455 Rn 57).
Gemessen an diesen Maßstäben kann das Gericht vorliegend einen Anspruch des Betroffenen auf Herausgabe nicht erkennen.
Soweit die Herausgabe einer "Baumusterprüfbescheinigung" und der Verwendungsanzeige begehrt wird, ist bereits vor dem Hintergrund, dass sich die gesamte Lebensakte samt Eichscheinen und Konformitätsbescheinigung in der Akte befinden, nicht ersichtlich, dass dieser aus Sicht eines verständigen Betroffenen noch irgendein Erkenntnisgewinn zukommen könnte.
Gleiches gilt für die Bedienungsanleitung der Auswertesoftware und des Messanhänger, die der Verteidigung indes bereits aus anderen Verfahren vorliegen.
Dem Betroffenen und seiner Verteidigung steht es frei, die Messdatei anzufordern und selbst auszuwerten. Die Auswertung ist daher kein einmaliger Vorgang, welcher – entsprechend einem standardisierten Messverfahren – mittels geschultem Personal an geeichten Geräten und entsprechend der Bedienungsanleitung durchgeführt werden muss, sondern ein solcher, welcher zur Prüfung der Richtigkeit jederzeit wiederholt werden kann und entsprechende Vorgaben gerade nicht unterliegt (vgl. etwa PTB, Stellungnahme zur Frage der Manipulierbarkeit signierter Falldateien, abrufbar unter https://oar.ptb.de/files/download/57d93726a4949d1c2d3c986e).
Bei dem "Messanhänger", gemeint dürfte der durch die Herstellerfirma sogenannte "Enforcement Trailer" sein, handelt es sich ausweislich allgemein zugänglicher Quellen im Internet (vgl. etwa https://www.vitronic.com/de-de/verkehrstechnik/geschwindigkeitsueberwachung) letztlich um eine reine Wegnahmesperre, mit welcher ermöglicht werden soll, ein Messgerät unbeaufsichtigt eine längere Zeit über einzusetzen. Das Messgerät wird – aus Vernehmungen der Messbeamten in vorangegangenen Verfahren gerichtsbekannt – erst vor Ort in den bereits aufgestellten Trailer eingesetzt. Vor diesem Hintergrund ist auszuschließen, dass sich aus der Bedienungsanleitung desselben irgendwelche Informationen herleiten ließen, welche Rückschlüsse auf die Richtigkeit der konkreten Messung ermöglichen würden.
Soweit die Zurverfügungstellung eines "Standort-Erstinbetriebnahmeprotokolls" begehrt wird, ist bereits nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass ein solches überhaupt existiert. Vor dem Hintergrund, dass das Messgerät immer wieder neu an unterschiedlichen Standorten aufgestellt wird, erscheint ein solches auch überflüssig.
Da die Messung und Auswertung ausweislich der Akte durch staatliche Behörden erfolgt ist und diesbezügliche Verträge mit Privatanbietern gerade nicht existieren, geht der diesbezügliche Antrag ins Leere.
Schließlich besteht nach Auffassung des Amtsgerichts, insoweit entgegen der Auffassung des Landgerichts in der Verfahren 46 Qs 59/21, an welche das Amtsgericht nicht gebunden ist, auch kein Anspruch auf Zurverfügungstellung von anderen Verkehrsteilnehmer betreffenden Messdaten ("gesamte Messreihe"). Denn bislang ist weder vorgetragen noch ersichtlich, welche Informationen auch nur theoretisch aus den Messdaten anderer Verkehrsteilnehmer herauszulesen wären, aus denen Rückschlüsse auf die hier gegenständliche Messung gezogen werden können.
Soweit vereinzelt auf eine "erhöhte Annullationsrate" verwiesen wird, ist bereits nicht erkennbar, was dies sein soll. Denn die Annulationsrate wird insbesondere durch die Verkehrsdichte bestimmt, wobei ein höheres Verkehrsaufkommen zu mehr Teilverdeckungen und mithin zu mehr Annullationen führt, ohne dass daraus der Rückschluss gezogen werden könnt...