OWiG § 33 Abs. 3 S. 2; StPO § 43
Leitsatz
Verkehrsordnungswidrigkeiten weisen eine absolute Verjährungsfrist von 2 Jahren auf (§ 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG i.V.m. § 26 Abs. 3 StVG). Die Verjährung beginnt, sobald die Handlung beendet ist (§ 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Der letzte Tag der Verjährungsfrist ist der im Kalender vorhergehende Tag. Die Fristberechnung nach § 43 StPO kommt bei Fristen des materiellen Rechtes, wie den Verjährungsfristen, nicht in Betracht, da diese Norm ausschließlich auf Fristen prozessualer Natur beschränkt ist. (Leitsatz der Redaktion)
OLG Koblenz, Beschl. v. 8.2.2023 – 4 ORbs 31 SsBs 1/23
1 Sachverhalt
Durch Bußgeldbescheid 22.1.2021 wurde gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h, begangen am 10.11.2020, eine Geldbuße in Höhe von 180 EUR verhängt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Auf seinen Einspruch wurde gegen den Betroffenen durch das AG mit Beschl. v. 10.11.2022 nach § 72 Abs. 1 OWiG wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h eine Geldbuße von 160 EUR festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Das OLG Koblenz hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen den Beschluss des AG nach § 72 OWiG vom 10.11.2022 aufgehoben und das Verfahren gemäß § 206a StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG eingestellt.
2 Aus den Gründen:
[…] II. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschl. v. 10.11.2022 ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaft. Sie ist auch gemäß § 79 Abs. 3 und Abs. 4 OWiG i.V.m. § 341 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Rechtsbeschwerde ist hinsichtlich der Sachrüge auch gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. §§ 344 f. StPO form- und fristgerecht begründet worden.
Das Rechtsmittel der Betroffenen führt zu einer Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung und zu einer Einstellung des Verfahrens aufgrund des Verfahrenshindernisses der Verfolgungsverjährung.
Die korrekt erhobene Sachrüge führt zur Prüfung des Fehlens von Verfahrensvoraussetzungen und des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses (vgl. BGH NStZ 2001, 440; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.8.2008 – 2 SsBs 54/08; OLG Hamm NZV 2003, 396; OLG Köln NZV 2002, 241). Wenn eine Rechtsbeschwerde in zulässiger Weise erhoben wurde, kann auch im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Einstellung wegen Verjährung erfolgen (vgl. OLG Koblenz MDR 1977, 954). Denn der Ablauf der Verjährung ist – so eine gerichtliche Prüfungsmöglichkeit besteht – von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen, auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren (vgl. BGH NStZ 2001, 440; BGHSt 16, 115).
Das Verfahren gegen den Betroffenen war unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206a StPO einzustellen, da hinsichtlich des gegen ihn erhobenen Vorwurfs der fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung bereits am 10.11.2022 Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrem, dem Verteidiger bekannt gegeben Votum wie folgt ausgeführt:
Die Verkehrsordnungswidrigkeiten weisen eine absolute Verjährungsfrist von 2 Jahren auf (§ 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG i.V.m. § 26 Abs. 3 StVG). Die Verjährung beginnt, sobald die Handlung beendet ist (§ 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Vorliegend wurde die in Rede stehende Geschwindigkeitsüberschreitung am 10.11.2020 begangen und beendet. Der Tag, an dem die Verjährung mit Eintritt des Ereignisses beginnt, ist der 1. Tag der Verjährungsfrist, hier also der 10.11.2020. Der letzte Tag der Verjährungsfrist ist der im Kalender vorhergehende Tag (Göhler § 31 Rn 16; OLG Karlsruhe vom 28.6.2019 – 2 RB 8 Ss 486/19; OLG Bamberg vom 12.12.2005 – 3 Ss OWi 1354/05), vorliegend demnach der 9.11.2022. Die Fristberechnung nach § 43 StPO kommt bei Fristen des materiellen Rechtes, wie den Verjährungsfristen, hingegen nicht in Betracht, da diese Norm ausschließlich auf Fristen prozessualer Natur beschränkt ist (KK-Schneider-Glockzin, § 43 StPO, Rn 6 m.w.N.). Die absolute Verfolgungsverjährung ist daher vorliegend mit Ablauf des 9.11.2022 eingetreten. Der Beschluss nach § 72 OWiG ist indes erst am 10.11.2022 unterzeichnet worden, sodass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Verjährung der Ordnungswidrigkeit eingetreten ist und nicht das Ruhen der Verjährung gemäß § 32 Abs. 2 OWiG herbeigeführt werden konnte.
Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO. Im Rahmen der Ermessensentscheidung geht der Senat davon aus, dass gegen den Betroffenen ohne Eintritt des Verfahrenshindernisses zu Recht wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h eine Geldbuße von 160 EUR festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden wäre.
Das Amtsgericht hat sich rechtsfehlerfrei mit den Einwendungen gegen die Geschwindigkeitsmessung auseinandergesetzt. Es hat die technischen und personellen Voraussetzungen für ei...