Die BKatV normiert keine Indizien für die Annahme von Vorsatz. Auch hier gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung durch das Gericht. Dennoch ist festzustellen, dass bei manchen Gerichten bestimmte Umstände, mehr oder weniger reflektiert, so gewertet werden, als hätten sie BKat-Gewicht. Das innere Motiv eines Betroffenen bei einer Geschwindigkeitsübertretung ist kaum zu beweisen, solange keine sehr ungeschickte Einlassung erfolgt, aus der das Gericht dann Vorsatz folgert. Es bedarf daher der Wertung äußerer Umstände, die "nahe legen" können, von Vorsatz auszugehen.
Die mehr oder minder gefestigte erstinstanzliche und obergerichtliche Rechtsprechung hat vor allem für die nachfolgenden vier häufigen Fallgruppen Indizien für die Annahme von Vorsatz entwickelt: 1. Einlassung des Betroffenen, 2. Beschilderung, ggf. in Verbindung mit weiteren besonderen Umständen, 3. hohe prozentuale Überschreitung und 4. Voreintragungen.
I. Einlassung des Betroffenen
Oft schildern die Betroffenen selbst bereits im Vorfahren Umstände, auf denen die Richter dann eine Verurteilung wegen Vorsatz erwägen. Jeder Verteidiger kennt auch Situationen, in denen, trotz aller vorherigen Belehrungen, der Mandant meint, er müsse noch einiges in der Verhandlung ergänzen. So geschehen im folgenden Fall:
Fall 2: Die Äußerung im letzten Wort "da ich wusste, dass bald das 120 km/h-Schild kommt, habe ich schon mal angefangen zu beschleunigen", hatte zur Folge, dass der Richter eine Vorsatzverurteilung mit einem doppelt so hohen Bußgeld als nach Bußgeldkatalog erwog und nur mit anwaltlicher Ablenkung davon abgehalten werden konnte.
Aber auch die Schilderung von Umständen, die eher nachvollziehbar sind, können von einem Gericht anders bewertet werden als der Betroffene das zuvor für möglich gehalten hatte:
Fall 3: Bei einer Übertretung von 21 km/h auf einer BAB, von einem Betroffenen ohne Voreintragungen, trug dieser schon im Vorverfahren vor, dass er und seine Frau Sonntag morgens um 8 Uhr darüber informiert wurden, dass seine Schwiegermutter gestorben und bis um 10 Uhr ein Abschiednehmen möglich sei. Das Gericht erteilte schriftlich Vorsatzhinweis mit der Begründung, dass "der Betroffene im Rahmen der Anhörung selbst vorgetragen hat, dass "Grund für die Eile" ein Anruf aus dem Krankenhaus gewesen sei". Dem Antrag der Verteidigung das Verfahren aufgrund der besonderen Umstände gem. § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen, wollte das Gericht nicht folgen, reduzierte aber nach längerer Diskussion die Geldbuße auf 59 EUR.
Ohne ein Geständnis sind für die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung "mehrere Indizien festzustellen, die in ihrer Gesamtschau" zu einer Vorsatzverurteilung führen können.
II. Beschilderung
Die Beschilderung ist der Ausgangspunkt für einen Geschwindigkeitsvorwurf. Mit einem Beschilderungsplan, der Zeugenaussage eines Messbeamten oder besser mit datierten Fotos ist die tatsächliche Beschilderung auch vergleichsweise objektiv festzustellen. In zweiter Stufe ist zu prüfen, wie gut diese Beschilderung wahrgenommen werden konnte, um den Fahrlässigkeitsgrad einer behaupteten Nichtwahrnehmung zu prüfen.
Die hauptsächlichen Kriterien zur Beurteilung der Wahrnehmung einer Beschilderung sind: ein- oder beidseitige Aufstellung, keine, einmalige oder mehrfache Wiederholung. Die grundsätzlichen Anforderungen sind dabei uneinheitlich: Für Blum ist die Übertretung bei einem mehrfach aufgestellten Verkehrszeichen ein deutliches Indiz für Vorsatz. Gürtler wertet eine vielfach wiederholte Missachtung von Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie mehrfache Missachtungen von Hinweisen auf Radarkontrollen als Indiz für Vorsatz.
Zumindest bei einer dreimaligen Missachtung der Beschilderung über einen Kilometer sieht auch das OLG Koblenz bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um über 20 km/h (nach Toleranzabzug) einen länger andauernden Sorgfaltsverstoß, der zu einem höheren Bußgeld als der Regelsatz vorsieht, führen kann. Es l...