Der BKat bildet Kategorien, indem er typische Ordnungswidrigkeiten beschreibt und Regelsätze als regelmäßige Rechtsfolgen festsetzt. Das sollte die Rechtsprechung aber nicht daran hindern, stärker auch nach Fahrlässigkeitsgraden zu differenzieren, um bei besonderen Umständen, die für ein leichteres oder auch stärkeres Maß an Fahrlässigkeit sprechen, die Regelbuße entsprechend zu modifizieren.
Bei der Annahme von Vorsatz geht es um mehr als bei einer Sanktionszumessung nach Fahrlässigkeitsgraden. Hier muss eine bestimmte Schwelle erreicht worden sein, bei der das Gericht mit dem gleichen Maßstab, mit dem Beweise gewürdigt werden, zu der vollen Überzeugung kommt, dass der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat. Ein einzelnes Indiz wird hierfür grundsätzlich nicht genügen können. Indizien sind Hilfstatsachen oder Anknüpfungspunkte, denen für sich allein noch keine Beweiskraft zukommt. Erst wenn mehrere Indizien in ihrer Gesamtschau dem Gericht eine volle Überzeugung von Tatumständen vermitteln können, haben sie das Gewicht von Beweisen. Das heißt, dass ein einziges solcher Indizien zunächst nur für einen Vorsatzhinweis, aber noch nicht für eine Vorsatzverurteilung genügen kann. Solide wäre ein solcher Vorsatzhinweis deshalb nur, wenn er die Erklärung enthält, dass mit dem Hinzutreten weiterer Indizien eine Vorsatzverurteilung erfolgen könnte. Nach meinen bisherigen Erfahrungen verfahren die meisten Gerichte auch entsprechend und erwägen im Regelfall erst beim Vorliegen von mindestens einem weiteren Indiz die Annahme von Vorsatz. Eine zunehmend abweichende Rechtsprechungspraxis bei einzelnen Amtsgerichten veranlasst mich zu folgender Stellungnahme:
I. Einlassung
Einlassungen des oder für den Betroffenen sind kaum typisierbar. Sie unterliegen der freien Beweiswürdigung des Gerichts im weiten Sinne.
II. Beschilderung
Die Wiederholung von Verkehrszeichen allein muss noch nicht mal als ein erstes Indiz für Vorsatz gewertet werden. Große Abstände zwischen den Verkehrszeichen können sogar für leichtere Fahrlässigkeit sprechen. Es ist durchaus möglich, dass man das erste Verkehrszeichen nicht mehr präsent und das zweite übersehen hat. Das kann man für schusselig halten, um weniger als einen Regelfall anzunehmen, genügt aber nicht, um einen Vorsatz zu begründen. Bei einem Geschwindigkeitstrichter mit geringen räumlichen Abständen zwischen zudem beidseitig aufgestellten Verkehrszeichen ist das schon anders. Dabei unterstelle ich eine Trichterdefinition, die zumindest drei dicht aufeinanderfolgende und beidseitig aufgestellte Verkehrszeichen umfasst, bei der zumindest die an zweiter oder dritter Stelle aufgestellten Schilder eine weitere Geschwindigkeitsreduzierung anordnen. Kommen weitere bauliche Umstände hinzu, wie eine Spurverengung, einer offensichtlich folgenden Baustelle und anderen Umständen, bei denen es überhaupt nicht mehr denkbar ist, dass sie nicht wahrgenommen worden sein könnten, wird man gegen eine Vorsatzannahme nicht mehr vernünftig argumentieren können.
Dazwischen gibt es Fälle, über die gestritten werden kann. Insbesondere die Bebauung neben einer Land- oder Bundesstraße oder ob ein gut einsehbarer Streckenverlauf vorlag, können sowohl für als auch gegen Vorsatz sprechen.
III. Prozentuale Geschwindigkeitsüberschreitung
Ein bestimmtes prozentuales Maß an Geschwindigkeitsübertretung kann den ersten Anlass liefern, eine vorsätzliche Begehung zu prüfen. Das gilt allerdings nicht für geringe absolute Höchstgeschwindigkeiten. Bei einer Tempo-30-Zone den Vorsatz allein auf eine 40 %ige oder auch 50 %ige Überschreitung zu stützen, also schon ab 12 oder 15 km/h, ist offensichtlich lebensfremd. Es darf sich deshalb nicht um geringe Höchstgeschwindigkeiten handeln, von der die prozentuale Überschreitung berechnet wird, sondern es muss zumindest eine absolute Übertretung vorliegen, die auch bei einer fahrlässigen Begehung grundsätzlich zu einer Eintragung in FAER führt.
Erst bei einem weiteren Indiz könnte Vorsatz angenommen werden, nämlich wenn räumliche Umstände, die typischerweise mit einer deutlichen Geschwindigkeitsreduzierung einhergehen, wie Barken und/oder Spurverengungen, es für unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass diese übersehen worden sein könnten, zu der erheblichen prozentualen Überschreitung hinzutreten.
Ist der Grund für die Geschwindigkeitsreduzierung offensichtlich weggefallen, zum Beispiel bei einer aufgehobenen Baustelle, aber noch stehenden Schildern, sprechen die Umstände nicht mehr zwingend für Vorsatz. Die Auffassung mancher Gerichte, dass der Wegfall des Grundes für die Anordnung geschwindigkeitsreduzierender Verkehrszeichen nicht zur Nichtigkeit der Verkehrszeichen führen, ist formal...