1 Strafprozessrecht
1.1 Digitale Dokumentation der Hauptverhandlung in Strafsachen
Die Bundesregierung hat am 10.5.2023 den Entwurf des Gesetzes zur digitalen Dokumention der strafgerichtlichen Hauptverhandlung beschlossen. Das Gesetz soll die gesetzlichen Grundlagen für die digitale Dokumentation der erstinstanzlichen Hauptverhandlungen vor den Land- und Oberlandesgerichten in Strafverfahren schaffen. Zentraler Bestandteil des Entwurfs ist neben der Aufzeichnung der Hauptverhandlung auch die automatisierte Übertragung der Tonaufzeichnung in ein Textdokument. Anders als der Referententwurf (siehe hierzu: zfs 2022, 662) sieht der Regierungsentwurf keine verpflichtende Videoaufzeichnung, sondern nur noch eine Erprobungsmöglichkeit der Videoaufzeichnung für die Länder vor. Der Regierungsentwurf, der Referentenentwurf und die Stellungnahmen der Verbände können auf der Homepage des BMJ abgerufen werden.
Quelle: Pressemitteilung des BMJ v. 10.5.2023 – www.bmj.de
1.2 Beschlagnahmtes Tagebuch kein amtliches Dokument des Strafverfahrens (Urt. v. 16.5.2023 – VI ZR 116/22)
Der u.a. für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des BGH hat mit Urt. v. 16.5.2023 entschieden, dass private Tagebuchaufzeichnungen, die von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt worden sind, keine "amtlichen Dokumente" des Strafverfahrens im Sinne von § 353d Nr. 3 StGB darstellen. Er hat das gegenüber einem Presseverlag ausgesprochene Verbot der wörtlichen Wiedergabe von Tagebuchauszügen aufgehoben.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 080/2023 v. 16.5.2023
2 Planfeststellungsrecht
2.1 Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich
Die Bundesregierung hat am 4.5.2023 den Entwurf des Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/1187 über die Straffung von Maßnahmen zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes beschlossen. Das Gesetz sieht u.a. vor, dass die Realisierung besonders wichtiger Vorhaben im Bereich der Fernstraßen und der Eisenbahnen im überragenden öffentlichen Interesse liegt. Zudem sollen digitale Formate im Verwaltungsverfahren flexibler genutzt werden. Für die Bundesfernstraßen soll die Vorhabenliste zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fortgeschrieben werden. Zudem sind Erleichterungen für den Ersatzneubau von Brücken, für den Bau von Windernergie- und Solaranlagen entlang von Bundesstraßen und für den Bau von straßenbegleitenden Radwegen sowie Gebührenregelungen für anbaurechtliche Verfahren, Regelungen zur Abwicklung des Grunderwerbs sowie eine Regelung zur Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde bei ländergrenzenüberschreitenden Vorhaben vorgesehen. Darüber hinaus soll die Richtlinie (EU) 2021/1187 über die Straffung von Maßnahmen zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes auf Ebene des Bundesrechts umgesetzt werden, so z.B. durch die Einführung einer Frist von vier Jahren für die Genehmigungsverfahren.
Quelle: BR-Drucks 198/23
3 Diesel-Skandal
3.1 Unwirksamkeit der formularmäßigen Anspruchsabtretung an die Finanzierungsbank (BGH, Urt. v. 24.4.2023 – VIa ZR 1517/22)
Der BGH hat mit Urt. v. 24.4.2023 (VIa ZR 1517/23) im Zusammenhang mit der Aktivlegitmation des Klägers in einem Diesel-Verfahren entschieden, dass die in den AGB einer Finanzierungsbank enthaltene Klausel über die Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Käufers und Darlehensnehmers gegen den Verkäufer und Hersteller eines Dieselfahrzeugs unwirksam ist. Nach der Klausel seien mit Ausnahme von Gewährleistungsansprüchen aus Kaufvertrag jedenfalls sämtliche mit dem Erwerb des Fahrzeugs in Zusammenhang stehende Ansprüche des Klägers gegen den Hersteller erfasst, damit auch Forderungen, die dem Darlehensnehmer im Rahmen des von § 355 Abs. 3 Satz 1, § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB geregelten Rückabwicklungsverhältnisses nach Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung gegen den Hersteller erwachsen. Die Klausel halte daher einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand, weil sie zulasten des Verbrauchers von zu seinen Gunsten zwingenden Vorschriften abweiche.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 071/2023 v. 24.4.2023
Autor: Karsten Funke
Karsten Funke, Richter am Landgericht, München
zfs 6/2023, S. 302