StPO § 111a; StGB § 316
Leitsatz
Zum (verneinten) Vorliegen eines dringenden Tatverdachts für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (hier: Auslesen der Bewegungsdaten des Fahrzeugs).
LG Itzehoe, Beschl. v. 11.10.2023 – 2 Qs 137/23
1 Sachverhalt
Mit Beschluss hat das AG Itzehoe dem Angeklagten gemäß §§ 111a StPO, 69 StGB die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen, da der dringende Tatverdacht der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr bestehe. Gegen diesen Beschluss legte der Verteidiger des Angeklagten Beschwerde ein. Sodann beantragte die StA – bevor eine Entscheidung über die Beschwerde getroffen werden konnte – beim AG den Erlass eines Strafbefehls gegen den Angeklagten, was antragsgemäß passierte. Gegen den Strafbefehl legte der Verteidiger für den Angeklagten fristgemäß Einspruch ein und erinnerte an die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Das AG erließ einen Beschluss, nach dessen Tenor dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wird, wobei es in der Begründung ausführte, dass die nicht beschiedene Beschwerde wegen Erhebung der öffentlichen Klage als Antrag an das erstinstanzliche Gericht auszulegen sei. Auch gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger Beschwerde eingelegt. Das LG hat auf die Beschwerde des Angeklagten den Beschluss des AG aufgehoben und die Herausgabe des Führerscheins angeordnet.
2 Aus den Gründen:
[…] II. Soweit das AG erneut die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet hat, ist dies bei zutreffender Würdigung dahingehend auszulegen, dass die Aufhebung der vorläufigen Entziehung abgelehnt wird. Die am 3.7.2023 eingelegte Beschwerde des Angeklagten gegen die von der Ermittlungsrichterin angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis war angesichts des Mitte Juli gestellten Antrags auf Erlass eines Strafbefehls – wie geschehen – als Antrag an das nunmehr zuständige Gericht auf Aufhebung der Maßnahme zu verstehen. Dieser Antrag wurde durch die Entscheidung des AG vom 7.8.2023 auch beschieden.
Die dagegen gerichtete, gemäß § 304 StPO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis und der darauf beruhenden Beschlagnahme des Führerscheins liegen nicht vor.
Voraussetzung einer Maßnahme nach § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO ist das Vorliegen von dringenden Gründen für die Annahme, dass in einem Urteil die Maßregel nach § 69 StGB angeordnet werden wird. Dies erfordert dringenden Tatverdacht und einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht den Beschuldigten für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen halten und ihm daher die Fahrerlaubnis entziehen werde (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 111a Rn 2). Nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs anzusehen und die Fahrerlaubnis deshalb zu entziehen, wenn er ein Vergehen nach § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) begangen hat.
Derzeit ist aber nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB entzogen werden wird. Denn es liegen keine dringenden Gründe für die Annahme vor, dass der Angeklagte im Verkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der war, das Fahrzeug sicher zu führen.
Die Zeugen … und … haben zwar angegeben, dass der Angeklagte mit seinem Fahrzeug neben ihnen (ein)parkte. Die vorgelegten Bewegungsdaten des Fahrzeugs, mit dem der Angeklagte sich auf den Parkplatz begeben hatte und bei dem es sich um einen Firmenwagen handelt, widersprechen dem aber. Danach ist nicht davon auszugehen, dass der Angeklagte zu einem Zeitpunkt um kurz vor 13.20 Uhr das Fahrzeug führte. Aus ihnen ergibt sich lediglich, dass das Fahrzeug um 11.27 Uhr entriegelt und um 13.16 Uhr verriegelt wurde. Eine Bewegung in der Zwischenzeit ist dem nicht zu entnehmen. Die Bewegungsdaten hat ausweislich der schriftlichen Angaben des Herrn … , des Arbeitsgebers des Angeklagten, er selbst und nicht der Angeklagte ausgelesen. Dem Privatgutachten liegen zwar nur diese von Herrn H. an den Angeklagten übermittelten Screenshots der Bewegungsdaten zugrunde, allerdings lässt sich dem Gutachten zumindest entnehmen, dass man die Daten nicht manipulieren könne. Der den 2.6.2023 betreffenden Übersicht kann man zudem auch geringe Entfernungen von unter einem Kilometer entnehmen, das System erfasst also auch sehr kurze Strecken.
Letztlich muss die Klärung des Sachverhalts der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben und der Widerspruch dort geklärt werden. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist aber nicht davon auszugehen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB entzogen werden wird.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.
3 Anmerkung:
Die Entscheidung lässt insoweit aufhorchen, dass das Thema "Fahrzeugdaten" bislang eher im Zusammenhang mit der Beweisführung gegen den Angeklagten in Verbindung gebracht wurde. Namentlich die Analyse und Dat...