So geht die Idee unseres Arbeitskreises dahin, die Frage zu stellen, inwieweit nicht möglicherweise auch für den Haushaltsführungsschaden ein neues Tabellenwerk denkbar ist, das in gewissem Maße über die bisherigen Tabellenwerke hinausgeht und eine Schätzgrundlage darstellt, mit der zum einen die Individualität eines jeden Haushalts berücksichtigt, zugleich aber verbindlich Zeitaufwände ermittelt werden können, die nicht nur möglichst einfach anwendbar, sondern allgemein konsensfähig sind.
Noch einmal zur Erinnerung: Es geht hier nicht darum, dem Haushaltsführungsschaden seine Individualität zu nehmen oder "mit Geld um sich zu werfen", sondern darum, die kostenaufwendigen und wenig förderlichen Beweisaufnahmen rund um den Haushaltsführungsschaden einerseits, andererseits aber auch die Extreme der Substantiierungsanforderungen sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht (je nach Sichtweise) zu bereinigen.
Eine solche Schätzgrundlage müsste einen öffentlich einsehbaren Datenbestand verwenden und damit mathematisch einfach überprüfbar sein, sie muss einen bundesdeutschen Durchschnitt zugrunde legen, nachvollziehbar anwendbar, gleichwohl verbindlich für die Schadensbemessung sein und es erlauben, Besonderheiten des individuellen Haushalts zu berücksichtigen.
Schon die Tabelle von Schulz-Borck/Pardey beruht, neben den Darstellungen zum statistischen Zeitaufwand und den Erhebungen zur Haus- und Familienarbeit aus der Schweiz (SAKE ) sowie weiteren Studien auf der Zeitverwendungserhebung – kurz ZVE – des Statistischen Bundesamtes.
Diese Studie erscheint nach dem Plan des Statistischen Bundesamtes alle zehn Jahre und stammt zuletzt aus dem Kalenderjahr 2012 (bzw. 2013). Die Ergebnisse wurden seinerzeit 2015 veröffentlicht. Zuletzt hat das Statistische Bundesamt die Studie im Kalenderjahr 2022 wiederholt, mit der Veröffentlichung der Ergebnisse ist im ersten Quartal dieses Jahres zu rechnen.
Die Erhebung präsentiert im Ergebnis eine minutengenaue Aufschlüsselung der Haushaltstätigkeit bei deutschlandweit rund 3000 befragten Haushalten. Aus jedem Bundesland sind, gerechnet auf den Bevölkerungsproporz, entsprechend viele Haushalte befragt worden.
Die Daten der Erhebung beziehen sich auf verschiedene Altersgruppen, mein Beispiel hier ist aus der Erhebung für den Bereich der Personen zwischen 30 und 44 Jahren entnommen und weist den jeweiligen Zeitaufwand nach Tätigkeit pro Tag aus. Sie sehen z.B. den täglichen Aufwand für Geschirrreinigung von 9 Minuten. Das Zubereiten von Mahlzeiten fällt täglich mit rund 29 Minuten ins Gewicht, die Gartenarbeit mit 16 Minuten, das Wäschewaschen mit 7 Minuten usw. Für die meisten denkbaren Tätigkeiten im Bereich der Haushaltsführung enthält diese Erhebung ein Zahlenbild.
Auf dieser Basis lassen sich statistisch belegbare Stundenaufwände für Einzeltätigkeiten ermitteln, z.B. für die Dauer des Staubsaugens eines Quadratmeters Wohnfläche, die Dauer der Essenszubereitung, für das Einkaufen, das Rasenmähen, Kinderbetreuung, Reparaturen, usw., jeweils statistisch gemittelt.
Entwickelte man nun einen Basissatz, bei dem man z.B. festlegt, wie lange der Deutsche durchschnittlich benötigt um 1 m² Wohnfläche zu saugen, so erhielte man einen Durchschnittswert, der immer auf den konkreten Haushalt heraufgerechnet werden kann; passgenau für den konkreten Einzelfall.
Der Geschädigte müsste also im Verfahren dann vortragen, wie sein Haushalt zugeschnitten ist und könnte allein damit den erforderlichen Vortrag hinsichtlich des Umfangs seiner Haushaltsführungstätigkeit erbringen. Die Zeitaufwände für die Einzeltätigkeiten wären anhand des Tabellenwerks statistisch belegbar, würden einen bundesdeutschen Durchschnitt abbilden und wären damit i.S.d. § 287 ZPO überwiegend wahrscheinlich richtig.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist bereits seit den 1990er-Jahren nicht zu berücksichtigen, wie lange der Geschädigte für die Durchführung einer bestimmten Haushaltsführungstätigkeit gebraucht hätte, sondern nur, wie lange die fiktiv abgerechnete Ersatzkraft für diese Tätigkeit benötigen würde. Dieser Maßstab ist hinsichtlich des Zeitaufwands losgelöst zu betrachten von den persönlichen Fähigkeiten des Geschädigten. Es ist also i.S.d. Untertitels unseres Arbeitskreises dann nicht mehr relevant, ob das Unfallopfer besonders schnell, besonders langsam oder gar nicht staubsaugen kann. Maßgeblich ist, wie lange die durchschnittliche Ersatzkraft und damit die gesamte Republik wohl durchschnittlich brauchen würde um diese Arbeiten zu erledigen.