VVG § 14; BGB § 249 Abs. 2; VGB 2008 § 7
Leitsatz
In der Leitungswasserversicherung verfügt der VN nicht über einen Anspruch auf Zahlung von Vorschüssen auf beabsichtigte Sanierungskosten. (Leitsatz der Schriftleitung)
LG Erfurt, Urt. v. 1.6.2023 – 8 O 1327/21
1 Sachverhalt
Die Kl. macht Ansprüche auf Versicherungsleistungen aus einer Wohngebäudeversicherung geltend, insbesondere auf Vorschuss für Sanierungsarbeiten in Höhe von 33.000,00 EUR. Zwischen den Parteien besteht ein Versicherungsverhältnis zum Objekt X. Es handelt sich um eine Versicherung zum Neuwert. Grundlage sind die VGB 2000. Versichert ist auch das Risiko von Leitungswasserschäden. Im Herbst 2019 kam es zu einem Wasserschaden in dem versicherten Gebäude. Durch defekte Leitungen an Dusche und Badewanne im Obergeschoss war Wasser ausgetreten. Dies zog auch die Decke zwischen Erd- und Obergeschoss in Mitleidenschaft. Der Versicherungsfall als solcher ist unstreitig.
Die Bekl. ersetzte geltend gemachte Sanierungskosten, insbesondere solche Kosten, die für Arbeiten der mit der Sanierung betrauten Trockenbaufirma angefallen waren. Während die Eintrittspflicht der Bekl. dem Grunde nach feststand und feststeht, streiten die Parteien um deren Haftung für weitere, bisher nicht sanierte oder reparierte Schäden. Die Kl. behauptet, die bereits durchgeführten, nach Rechnungsstellung bezahlten und erstatteten Leistungen seien nicht ausreichend, um den gesamten entstandenen Schaden zu beheben und auszugleichen. Insbesondere sei im Bad des Erdgeschosses die mit Schimmel befallene Deckenfüllung und Dämmung zu entfernen. Die Kl. beabsichtigt, die von ihr behaupteten weiteren Schäden tatsächlich beheben zu lassen. Vertragliche Bindungen ist sie hierzu allerdings noch nicht eingegangen.
2 Aus den Gründen:
Die Klage ist im Hauptantrag – Vorschusszahlung – zwar zulässig, jedoch unbegründet. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist bereits unzulässig.
I. Der Kl. steht aus dem Versicherungsverhältnis kein Anspruch gegen die beklagte Versicherung auf eine Vorschusszahlung zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus Vertrag noch aus Gesetz. Die Kl. verlangt auch keine Abschlagszahlung i.S.d.. § 14 VVG. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten oder Vorgehen der Bekl. ist nicht ersichtlich. Der geltend gemachte Vorschussanspruch scheiterte auch daran, dass die Kl. bei ihren Berechnungen vom Ersatz der Neuwertspanne ausgeht, wofür die Voraussetzungen mittlerweile entfallen sind. Schließlich vermag sich die Kl. nicht auf § 249 Abs. 2 BGB zu berufen. Im Einzelnen:
1. Eine vertragliche Grundlage für Vorschusszahlungen vermochte die Kl. nicht zu benennen. Eine Durchsicht und Auswertung der … Vertragsunterlagen, insbesondere der … (VGB 2000), gibt nichts für einen Vorschussanspruch her. Soweit ersichtlich, ist dort an keiner Stelle von einer Vorschusszahlung die Rede, wobei eine solche Klausel auch nähere Voraussetzungen und Modalitäten enthalten würde, wie zum Beispiel die Schlussabrechnung und Rückzahlungsverpflichtungen. Zudem ist aus den einschlägigen Klauseln und deren konkreter Formulierung kein Anhaltspunkt für eine Auslegung dahin zu entnehmen, dass es nicht darauf ankäme, ob Sanierungsleistungen oder Reparaturen bereits erbracht wurden.
Hierin liegt der maßgebliche Unterschied zu einem 2013 vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (BGH, Urt. v. 19.6.2013 – IV ZR 228/12, juris), in dem aufgrund einer konkreten und besonderen Klauselgestaltung ein Anspruch auf Aufwendungsersatz hergeleitet wurde, ohne dass diese Aufwendungen bereits erbracht oder zumindest entsprechende Zahlungsverpflichtungen begründet sein mussten. Zudem bezog sich der dort geltend gemachte Anspruch auf Abschlagszahlungen (!) nur auf ausdrücklich geregelte Schadensminderungskosten und Aufräumungs- wie Abbruchkosten, nicht – wie im vorliegenden Fall – auf den Hauptschaden selbst und dessen vollständige Deckung.
Es fehlt ersichtlich an einer expliziten Versicherungsbedingung wie zum Beispiel im Falle der Vorschusspflicht in der Unfallversicherung. Ziff. 9.3 AUB 2008 bestimmt im Kontext von Fälligkeitsregelungen: "Steht die Leistungspflicht zunächst nur dem Grunde nach fest, zahlen wir – auf Ihren Wunsch – angemessene Vorschüsse." Vergleichbares gilt für die Vorschussregelung im Kaskoversicherungsrecht.
Ein verständiger VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, auf dessen Horizont es bei Auslegung der geltenden Versicherungsbedingungen ankommt, wird jedenfalls nicht davon ausgehen dürfen, dass seine Versicherung ohne spezifische Grundlage bei einem Streit um das Schadensausmaß in Vorleistung tritt, mit allen damit verbundenen Risiken (s. hierzu Weidner, jurisPR-VersR 9/2013 Anm. 1).
2. Darüber hinaus ergibt sich ein Vorschussanspruch auch nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Das einschlägige Versicherungsrecht gibt hierfür nichts her. Im Gegenteil werden Vorschussansprüche nur vereinzelt und als Ausnahme gesetzlich geregelt, jeweils mit weiteren Modalitäten. Hierfür steht exemplarisch § 187 Abs. 2 S. 2 VVG, eine Spezialregelung im Unfallversiche...