Der Betroffene ist selbstständiger Rechtsanwalt und mit einem Abstandsverstoß (100 EUR) vorbelastet. Der Betroffene befuhr die außerorts gelegene Autobahntangente des Schkeuditzer Kreuzes in der Überfahrt München – Dresden mit einer Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug) von 84 km/h, obwohl – wie er bei gehöriger und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können und müssen – aufgrund des ordnungsgemäß angebrachten und beidseitig aufgestellten Verkehrszeichens 274-60 die zulässige Höchstgeschwindigkeit gemäß § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 StVO auf 60 km/h begrenzt war.
In rechtlicher Hinsicht hat der Verteidiger des Betroffenen ausgeführt, dass dem Betroffenen der Geschwindigkeitsverstoß nicht zur Last gelegt werden könne, da die im verfahrensgegenständlichen Bereich angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h nichtig sei, folglich gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG keine Rechtswirkung entfalte und unwirksam sei. Die Nichtigkeit der Geschwindigkeitsbeschränkung als Allgemeinverfügung ergebe sich aus einem Verstoß gegen zwingende Zuständigkeitsregelungen. Gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein. Ein solcher Fall liege hier vor. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist in Angelegenheiten, die sich auf ein ortsgebundenes Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der maßgebliche Ort liegt. Eine verkehrsbehördliche Anordnung bzw. die Aufstellung eines Verkehrszeichens sei eine solche ortsgebundene Anordnung, da sich das durch die Allgemeinverfügung eines Verkehrszeichens angeordnete Ge- oder Verbot auf einen bestimmten Bereich einer öffentlichen Verkehrsfläche beziehen würde und damit ortsgebunden sei.
Der maßgebliche Abschnitt im Bereich des Schkeuditzer Kreuzes ist im Geltungsbereich des Freistaates Sachsen belegen. Allein aus dem Grund könne die Landesstraßenbaubehörde des Landes Sachsen-Anhalt für den Bereich nicht zuständig sein. Daran ändere auch die vermeintliche Zuständigkeitsübertragung durch Verwaltungsvereinbarung vom 5.5.2000 nichts. In der Rechtsprechung und Literatur sei dahingehend anerkannt, dass Zuständigkeitsvereinbarungen zwischen Behörden untereinander zwingend einer formell gesetzlichen Grundlage bedürfen. Eine Behörde könne ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung weder ihre Zuständigkeit auf eine andere Behörde delegieren noch stehe ihr ein Selbsteintrittsrecht zu. Ausnahmen seien nach § 3 Abs. 4 VwVfG lediglich bei Gefahr im Verzug möglich, was hier offenkundig nicht vorliegen würde. Im vorliegenden Fall fehle es an einer formell gesetzlichen Grundlage für die Zuständigkeitsübertragung verkehrsbehördlicher Anordnungen im Freistaat Sachsen für die Behörden des Landes Sachsen-Anhalt. Mithin liege ein Fall der Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG vor, der zur Unwirksamkeit der Geschwindigkeitsbeschränkung und nicht lediglich zu deren Rechtswidrigkeit/Anfechtbarkeit führe, was gleichzeitig zur Folge habe, dass dem Betroffenen mangels wirksamer Geschwindigkeitsbeschränkung kein Geschwindigkeitsverstoß zur Last gelegt werden könne.
Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 60 km/h um 24 km/h als Führer eines Pkw zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt.