[…] IV. Der Betroffene ist wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften gemäß §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, 49 StVO, § 24 StVG zu ahnden. Der Betroffene hätte bei gehöriger und zumutbarer Sorgfalt erkennen können und müssen, dass er sich außerorts befindet, wo die zulässige Höchstgeschwindigkeit angesichts der ordnungsgemäß aufgestellten Verkehrszeichen auf 60 km/h begrenzt war und dass er diese Geschwindigkeit nicht unerheblich überschritt. Dem Betroffenen ist daher eine außerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitung von 24 km/h anzulasten.
Entgegen der Ansicht des Verteidigers ist auch von der Verbindlichkeit bzw. Wirksamkeit der beiden aufgestellten und die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h begrenzenden Verkehrszeichen unbeschadet der etwaigen verwaltungsgerichtlichen Anfechtbarkeit der daraus hervorgehenden Anordnung auszugehen, da auch die hierfür zugrunde liegende straßenverkehrsbehördliche Anordnung der Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt vom 9.5.2012 nicht nach § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nichtig ist, wie sich aufgrund folgender Erwägungen ergibt:
Es ist allgemein anerkannt, dass von der Straßenverkehrsbehörde aufgestellte Vorschriftzeichen Verwaltungsakte in Form einer Allgemeinverfügung sind. Ein fehlerhafter Verwaltungsakt ist zwar im Verwaltungsrechtsweg anfechtbar, aber grundsätzlich bis zu seiner Aufhebung zu befolgen (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.11.2014 – IV-2 RBs 115/14; OLG Hamm, Beschl. v. 3.3.2016 – 3 Rbs 55/16). Unwirksam ist ein Verwaltungsakt nur, wenn er nichtig ist (§§ 43 Abs. 3, 44 VwVfG).
Als besondere Ausprägung der Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG normiert § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG die Nichtigkeitsfolge für einen qualifizierten Fall örtlicher Unzuständigkeit (vgl. die Entwurfsbegründung BT-Drucks 7/910,64), indem dort festgelegt wird, dass ein Verwaltungsakt nichtig ist, den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein. Dem Verteidiger ist darin beizupflichten, dass hier eine Angelegenheit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in Form eines ortsgebundenen Rechtsverhältnisses vorliegt und der maßgebliche Streckenabschnitt im Bereich des Schkeuditzer Kreuzes im Geltungsbereich des Freistaates Sachsen belegen ist.
Anders als der Verteidiger meint, stellt aus Sicht des Gerichts die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Freistaat Sachsen und dem Land Sachsen-Anhalt vom 5.5.2000 eine hinreichende Ermächtigung i.S.v. § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG für die Wahrnehmung straßenverkehrsbehördlicher Aufgaben bezüglich des verfahrensgegenständlichen Streckenabschnitts durch die Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt dar. Ausweislich dieser Verwaltungsvereinbarung hat der Freistaat Sachsen die Wahrnehmung straßenverkehrsbehördlicher Aufgaben für näher bezeichnete Abschnitte der Bundesautobahnen A9 Berlin – München und A14 Dresden – Magdeburg auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen, worunter auch die Streckenabschnitte des Schkeuditzer Kreuzes zählen, auf die zuständige Behörde des Landes Sachsen-Anhalt übertragen. Soweit der Verteidiger unter Verweis auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (OVG Bremen, Urt. v. 20.3.2018 – 1 LB 55/17 – NordÖR 2018, 230) vorträgt, dass es für derartige Zuständigkeitsübertragungen zwischen Behörden untereinander zwingend einer formell gesetzlichen Grundlage bedürfe, ist dem nach Ansicht des Gerichts nicht zuzustimmen.
Soweit ersichtlich wurde diese Frage bislang weder im Bereich des Straßenverkehrsrechts (vgl. aber VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.12.2009 – 1 S 3263/08, betrifft einen Schein-Verwaltungsakt durch Private) noch im Bereich des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts entschieden und es liegt auch keine formell gesetzliche Grundlage für die hier geregelte Zuständigkeitsübertragung straßenverkehrsbehördlicher Aufgaben vor. Eine formell gesetzliche Grundlage wird von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung deshalb für erforderlich erachtet, weil verliehene Kompetenzen nicht der Verfügung ihrer Träger unterliegen würden. Hat der Gesetzgeber in einem formellen Gesetz eine Bestimmung getroffen, welche Behörde für die Vollziehung zuständig ist, so folge aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Rechtstaatsprinzip, dass die Exekutive an die von der Legislative getroffene Zuständigkeitsbestimmung gebunden sei. Die Änderung der durch formelles Gesetz geschaffenen Rechtsordnung setze daher ihrerseits ein formelles Gesetz voraus (vgl. OVG Bremen, a.a.O.).
Dem zwingenden Erfordernis einer formell gesetzlichen Grundlage vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Dem Wortlaut von § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVG lässt sich jedenfalls derartiges nicht entnehmen. Soweit beanstandet wird, dass bei einem Verzicht auf eine formell gesetzliche Regelung die von der Legislative getroffene Zuständigkeitsbestimmung unterlaufen werden würde, lässt sich dies hier nicht im durchgreifenden Maße feststellen.
Vor Inkraf...