StVO § 19
Leitsatz
Zu den erforderlichen Feststellungen beim Vorwurf eines Verstoßes gegen die Wartepflicht an einem Bahnübergang.
OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.3.2024 – 2 ORbs 32/24
1 Sachverhalt
Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überquerens eines Bahnübergangs trotz bestehender Wartepflicht zu einer Geldbuße von 240 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Das OLG Oldenburg hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
[…] Die bisher getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht.
Das AG ist davon ausgegangen, dass der Betroffene den beschränkten Bahnübergang überquert habe, obwohl Rotlicht gegeben worden sei und die Schranken sich bereits senkten. Es ist insoweit den Angaben der vernommenen Polizeibeamten gefolgt. Beide Zeugen – die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Überganges befanden – haben nach den Ausführungen des AG bekundet, dass das Fahrzeug des Betroffenen "über den Bahnübergang gefahren" sei, als die Schranken sich bereits zu senken begannen. Ob mit diesen Angaben gemeint ist, dass der Betroffene erst begonnen hat den Bahnübergang – unklar, ob damit die eigentlichen Schienen oder der Bereich zwischen den Schranken gemeint ist – zu überqueren oder ob er sich noch im Bereich des Bahnübergangs befunden hat, als die Schranken sich senkten, ist nicht näher dargelegt.
Aus den Feststellungen ist zu entnehmen, dass ein Senken der Schranken nur bei Aufleuchten des Rotlichts erfolgt. Ob und wie lange allerdings das Rotlicht vorher aufleuchtet, wie lange die offenbar vorgeschaltete Gelbphase angedauert hat und welche zulässige Höchstgeschwindigkeit vor dem Bahnübergang bestand, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen, da "in Ort2" nicht zwingend auf Innerörtlichkeit hindeutet. Ohnehin stellt das AG, wohl weil die Zeugen die Lichtzeichenanlage in Fahrtrichtung des Betroffenen nicht einsehen konnten, auf das Absenken der Schranken (und damit auch das Rotlicht) ab. Ob dem Betroffenen aber ein Anhalten vor dem Andreaskreuz bei einer mittleren Bremsung (vgl. OLG Schleswig DAR 1985, 291; BayObLG DAR 1981,153) möglich gewesen wäre, als die Pflicht vor dem Andreaskreuz zu warten einsetzte – also entweder bei gelben (soweit auch für den Betroffenen feststellbar) oder roten Lichtzeichen und/oder dem Senken der Schranken – lässt sich dem Urteil mangels näherer Angaben unter anderem dazu, wo sich das Fahrzeug des Betroffenen befand, als die Wartepflicht einsetzte, nicht entnehmen (zu einem Verstoß bei einem durch Lichtzeichen und Schranken gesichertem Übergang vgl. OLG Jena VRS 120, 36). Sollten die Zeugen das Passieren des Andreaskreuzes nicht gesehen haben, wäre zudem festzustellen, dass nicht "nur" ein Verstoß gegen § 19 Abs. 3 StVO vorgelegen hat.
Nur wenn die Zeugen das Passieren des Andreaskreuzes beobachtet hätten, der Verstoß innerörtlich gewesen wäre und auch das Aufleuchten des vorgeschalteten gelben Lichtzeichens in Fahrtrichtung des Betroffenen feststellbar wäre, bedürfte es näherer Darlegungen nicht, da dann ohne weiteres davon auszugehen wäre, dass der Betroffene rechtzeitig hätte anhalten können.
Da weitere Feststellungen möglich erscheinen, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das AG zurückzuverweisen. Auf die von der Generalstaatsanwaltschaft für durchgreifend erachtete Rüge hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches kommt es nicht mehr an. Der Senat weist zusätzlich darauf hin, dass nicht ersichtlich ist, weshalb dem Betroffenen vom AG die sogenannte Viermonatsfrist nicht zugebilligt worden ist, obwohl er über keine Voreintragung verfügt.
zfs 6/2024, S. 350 - 351