“ … II. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, weil es aus den nachfolgenden Gründen geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.
1. Nach dem durch die Verfahrensakten bewiesenen Rechtsmittelvorbringen liegt der prozessordnungsgemäß geltend gemachten Gehörsrüge (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO, § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG) im Wesentlichen folgender Verfahrensgang zugrunde:
Mit Schriftsatz vom 10.10.2007 beanstandete der Betroffene die Höhe der ihm angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitung und führte hierzu aus:
"(Hier) ist die Messung durch Nachfahren ohne geeichten Tacho vorgenommen worden. Von der so festgestellten Geschwindigkeit (140 km/h) ist ein Toleranzabzug in Höhe von 20 % mit dem Ergebnis einer festgestellten Geschwindigkeit von 112 km/h erfolgt."
Der Abzug von 20 % ergibt sich bei dieser Messmethode bereits alleine fahrzeugbedingt. Es ist ein weiterer Toleranzabzug von mindestens 3 – 5 km/h (nicht Prozent) unter dem Gesichtspunkt der Ableseungenauigkeit vorzunehmen. Bezieht man dies ein, so kommt grundsätzlich noch eine verwertbare Geschwindigkeit zwischen 107 und 109 km/h in Betracht, damit (bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h am Tatort) eine Überschreitung von zwischen 27 und 29 km/h.
Auch dieses Ergebnis gilt nur unter der Bedingung, dass die sonstigen Vorgaben eingehalten sind, die für diese unsichere Methode der Geschwindigkeitsfeststellung erfüllt sein müssen.“
Mit Schriftsatz vom 12.11.2007 beantragte der Betroffene, ihn von der Verpflichtung zu entbinden, im Hauptverhandlungstermin am 26.11.2007 persönlich zu erscheinen. Zur Begründung führte er aus:
"Die Fahrereigenschaft steht fest, der Betroffene würde im Termin keine Angaben zur Sache machen, damit auch keinen Beitrag zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts leisten können. … "
Mit Beschl. v. 14.11.2007 lehnte das AG diesen Antrag mit- der Begründung ab, der Betroffene bestreite, zu schnell gefahren zu sein. Erfahrungsgemäß habe ein Zeuge an den Fall nur dann eine konkrete Erinnerung, wenn er den Betroffenen sehe.
Mit am 22.11.2007 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag wiederholte der Betroffene seinen Entbindungsantrag und führte zur Begründung ergänzend aus, das Verteidigungsvorbringen vom 10.10.2007 erfordere keine konkrete Erinnerung eines Polizeibeamten an den Fall. Unabhängig davon sei auch eine konkrete Erinnerung eines Polizeibeamten an einen Fall nicht deshalb zu erwarten, weil er einen Betroffenen nach Ablauf eines Zeitraums von rund ½ Jahr erstmals wieder sieht.
In der Hauptverhandlung am 26.11.2007 beantragte der anwesende Verteidiger erneut, den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden.
Das AG lehnte diesen Antrag ab – laut Protokoll ohne jede Begründung – und verwarf sodann den Einspruch des Betroffenen gem. § 74 Abs. 2 OWiG.
2. Diese Vorgehensweise des AG ist rechtfehlerhaft.
Nach § 73 Abs. 2 OWiG hat das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, wenn er sich zur Sache geäußert oder wenn er erklärt hat, er werde sich in der Hauptverhandlung nicht (weiter) zur Sache äußern, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.
Dabei ist zu beachten, dass im Gegensatz zur früheren Rechtslage (vgl. BGHSt 38, 251 [= zfs 1992, 283]) die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht mehr in das Ermessen des Gerichts gestellt ist. Vielmehr ist das Gericht nunmehr verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (OLG Karlsruhe zfs 2005, 154; KK-OWiG/Senge, 3. Aufl., § 73 OWiG Rn 23 m.w.N.).
Der Betroffene hat in der Begründung zu seinen Entbindungsanträgen vom 12. und 22.11.2007 (BI. 25/28 d.A.) eindeutig und unmissverständlich erklären lassen, dass er seine Fahrereigenschaft i.S.d. zugrunde liegenden Bußgeldbescheids einräumt, darüber hinaus auch die nach dem Erfassungsbeleg (BI. 14/15 d.A.) von den beiden Tatzeugen in ihrem Fahrzeug abgelesene Geschwindigkeit (140 km/h) nicht in Zweifel zieht und im Übrigen in der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache machen wird. Folglich wäre seine persönliche Anwesenheit in der Hauptverhandlung i.S.d. § 73 OWiG allenfalls dann einer weiteren Sachaufklärung dienlich gewesen, wenn hierfür die bloße physische Präsenz des – berechtigterweise – schweigenden Betroffenen genügt hätte.
Dies war und ist nach dem bisherigen Sachstand hier jedoch nicht der Fall.
Der Betroffene bestreitet lediglich die Richtigkeit des aus dem von den Tatzeugen beim Nachfahren abgelesenen Tachostand von 140 km/h hergeleiteten Schuldvorwurfs, die am Tatort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h demnach um mindestens 32 km/h überschritten zu haben, weil seiner Auffassung nach die einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit einem Fahrzeug ohne geeichten Tacho potenziell anhaftenden Fehler mit dem ...