Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass § 67 Abs. 2 VVG a.F. in analoger Anwendung auch die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erfasst.
Er hatte sich dabei zunächst mit einer Entscheidung des VI. Zivilsenats vom 1.12.1987 (BGHZ 102, 257 ff.) auseinanderzusetzen, mit der jener eine Erstreckung des Familienprivilegs in § 116 SGB X auf die Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich abgelehnt hatte. Eine solche Ausdehnung – so der VI. Zivilsenat damals – führe in der praktischen Rechtsanwendung zu Unsicherheiten, die wegen des sowohl in der Privatversicherung wie auch in der Sozialversicherung bestehenden Bedürfnisses nach Berechenbarkeit und leicht feststellbaren, typisierenden Tatbeständen nicht hinnehmbar sei. Bei einer etwaigen analogen Anwendung des Familienprivilegs wäre eine Eingrenzung auf solche Lebensgemeinschaften geboten, die bereits eine gewisse Verfestigung gefunden hätten, einen besonderen Grad der Verknüpfung der Lebenssphären aufwiesen und die auf Dauer angelegt seien. Eine typisierende, pauschalisierende Abgrenzung sei hier nicht möglich. Abgesehen davon, dass die Betroffenen hierdurch zu Offenbarungen gezwungen würden, die ihren Eigenbereich – wenn nicht die Intimsphäre – berühren könnten, sei der Beweiswert solcher Bekundungen der Partner angesichts der Konfliktsituation, in der sie sich befänden, besonders fragwürdig.
Der IV. Zivilsenat hat – dieser inzwischen mehr als 20 Jahre alten Entscheidung – vor allem entgegengesetzt, dass durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Begriff der "eheähnlichen Gemeinschaft" oder der nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine hinreichende begriffliche Konkretisierung erfahren habe. Sie lasse Abgrenzungsschwierigkeiten nicht besorgen, gebe jedenfalls keinen Grund mehr dafür her, den nichtehelichen Lebensgemeinschaften den Schutz des Familienprivilegs vorzuenthalten.
Der Senat hat dabei mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde gelegt, dass eine nichteheliche Lebensgemeinschaft eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau darstellt, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, lässt sich anhand von Indizien – Dauer des Zusammenlebens, Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt, Verfügungsbefugnis über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen – feststellen.
Vor dem Hintergrund dieser Konkretisierung hat der IV. Zivilsenat eine Erstreckung des Schutzbereichs des § 67 Abs. 2 VVG a.F. sowohl für zulässig als auch geboten erachtet. Er hat sich deshalb der die Entscheidung des VI. Zivilsenats tragenden Auffassung, den nichtehelichen Lebensgemeinschaften den Schutz der Vorschrift wegen Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten versagen zu müssen, nicht anzuschließen vermocht. Der für die Auslegung des § 116 SGB X zuständige VI. Zivilsenat hat mit Blick darauf erklärt, daran ebenfalls nicht mehr festhalten zu wollen.
Tragender Gesichtspunkt für eine Analogie war die Vergleichbarkeit der Schutzwürdigkeit – Familienangehöriger hier – Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft dort: In einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, für die gemeinsame Mittelaufbringung und Mittelverwendung prägende Merkmale sind, trifft die Inanspruchnahme des Partners den Versicherungsnehmer wirtschaftlich nämlich nicht minder als in einer Ehe. Der häusliche Friede zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann durch zwischen diesen auszutragenden Streitigkeiten über die Verantwortung für die Schadenszufügung in gleicher Weise gestört werden wie bei Ehegatten.
Der IV. Zivilsenat hat sich mit dieser Entscheidung nicht – wie in der mündlichen Verhandlung vor seiner Entscheidung diskutiert – an die Stelle des Gesetzgebers gesetzt. Natürlich ist Voraussetzung für die analoge Anwendung einer Vorschrift eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke. Eine solche war aber anzunehmen, weil der Gesetzgeber des VVG im Jahre 1908 nicht vorhersehen konnte, in welchem Ausmaß nichteheliche Lebensgemeinschaften in späteren Zeiten praktiziert und akzeptiert werden würden. Und diese tatsächliche und rechtliche Entwicklung hat die ursprünglich vollständige Regelung lückenhaft, ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig werden lassen. Die Ihnen vorgestellte Entscheidung hat diese Lücke geschlossen.