1. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Direktklagen eines Geschädigten aus Deutschland gegen Haftpflichtversicherer in anderem Mitgliedsstaat der EU
Die Problemstellung ist schnell beschrieben: Kann ein Geschädigter, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, wegen eines Verkehrsunfalls in den Niederlanden den Haftpflichtversicherer des Schädigers mit Sitz in den Niederlanden vor seinem deutschen Wohnsitzgericht in Anspruch nehmen? Die Beantwortung dieser Frage hängt von der Auslegung von Artt. 11 Abs. 2 und 9 Abs. 1b EuGVVO ab. Dabei stand im Vordergrund, wie die Tragweite der Verweisung in Art. 11 Abs. 2 auf Art. 9 Abs. 1b EuGVVO zu bestimmen ist. Ergab sich aus ihr auch, dass für Klagen des Geschädigten unmittelbar gegen den Versicherer das Gericht am Wohnsitz des Klägers zuständig ist? Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs neigte dazu, die Frage zu bejahen, hatte sie aber zunächst dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen. Dieser hat die Auffassung des Bundesgerichtshofs bestätigt, der inzwischen seinerseits i.S.d. EuGH – und seines Vorlagebeschlusses – erkannt hat. Ohne hier auf Einzelheiten der Auslegung einzugehen, gilt danach: Ein Geschädigter, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat hat (hier also unser Geschädigter mit Wohnsitz in Deutschland) kann vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den Haftpflichtversicherer erheben, wenn dieser seinen Sitz in einem Mitgliedsstaat hat (hier in den Niederlanden) und – darauf ist stets zu achten – eine solche unmittelbare Klage zulässig ist. Letzteres ist im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung in allen Mitgliedsstaaten möglich, für die Haftpflichtversicherung im Allgemeinen, für die die oben dargestellten Grundsätze ebenso gelten, aber jeweils nach dem Recht des Mitgliedsstaates zu beurteilen, in dem der Versicherer seinen Sitz hat. Diese Bestätigung des internationalen Gerichtsstandes am Wohnsitz des Geschädigten ist sicherlich sehr bedeutsam, indessen sollte – so mit Recht Kummer – der Nutzen des Klägergerichtsstandes auch nicht überschätzt werden. Das Gericht am Wohnsitz des Geschädigten wird nämlich regelmäßig ausländisches Recht anzuwenden haben (vgl. Art. 40 Abs. 1, 4 EGBGB "Tatortprinzip"; Art. 4 Abs. 1 Rom II "Recht des Erfolgsortes"). Mit diesem kurzen Hinweis mag es hier sein Bewenden haben.
2. Örtliche Zuständigkeit nach neuem VVG und Auswirkungen der Übergangsregelung in § 1 Abs. 1, 2 EGVVG
a) Für Klagen, die aus dem Versicherungsverhältnis erhoben werden, stand – neben dem allgemeinen Gerichtsstand der juristischen Person (§ 17 ZPO), der sich nach dem Hauptsitz des Versicherers richtet – nach altem Recht der Gerichtsstand der Agentur (§ 48 VVG a.F.) zur Wahl; die Klage konnte also (auch) vor dem örtlich für die Niederlassung bzw. dem Wohnsitz des Agenten zuständigen Gericht erhoben werden. Das neue VVG hat diese Regelung abgelöst und durch § 215 VVG ersetzt. Nach dieser Regelung ist für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist es sogar ausschließlich zuständig.
Das neue VVG ist am 1.1.2008 in Kraft getreten. Gilt also § 215 VVG seither für alle ab diesem Zeitpunkt erhobenen Klagen uneingeschränkt oder ergibt sich aus den Übergangsvorschriften im EGVVG eine – und gegebenenfalls auf welche Fälle bezogene – Weiteranwendung des § 48 VVG a.F.?
Nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG ist auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum 1.1.2008 entstanden sind (Altverträge), bis zum 31.12.2008 das VVG a.F. anzuwenden, soweit in Abs. 2 der Vorschrift und den Artt. 2 bis 6 nichts anderes bestimmt ist. In unserem Zusammenhang interessiert insbesondere Abs. 2 des Art. 1 EGVVG, nachdem ist bei Altverträgen der Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten, gilt das VVG a.F. weiter – ist also über diesen Zeitpunkt hinaus anzuwenden. Auf unser Problem bezogen könnte das bedeuten: Erstreckt sich der Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 1 EGVVG auch auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit, dann wäre bei Altverträgen für noch im Jahr 2008 erhobene Klagen § 48 VVG a.F. maßgeblich geblieben. Ob das zutrifft, ist umstritten, indessen so nicht mehr von praktischer Bedeutung, weil der Anwendungszeitraum von A...