StPO § 81a
Leitsatz
Ordnet ein Polizeibeamter auch heute noch, ohne dass "Gefahr im Verzug" vorliegt, die Entnahme einer Blutprobe "entsprechend der langjährigen Praxis" an, ohne einen Richter kontaktiert zu haben, ist das eine so grobe Verkennung der Eilzuständigkeit, dass das zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes führt.
(Leitsatz in www.burhoff.de)
OLG Hamm, Beschl. v. 12.3.2009 – 3 Ss 31/09
Sachverhalt
Der Jugendrichter beim AG hat den Angeklagten wegen Vollrausches mit einer Geldbuße von 900 EUR, zahlbar zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung, belegt und ihm ferner die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von 15 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Nach den Feststellungen des AG hatte der Angeklagte am 1.5.2008 (Maifeiertag) erheblich dem Alkohol zugesprochen und sich aus Unachtsamkeit in einen erheblichen Rauschzustand versetzt. In diesem Zustand fuhr er um 19.05 Uhr mit einem Pkw durch die Ortschaft K und kam infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit von der Fahrbahn ab, geriet frontal mit beiden Vorderrädern über die Bordsteinkante, wobei die Vorderreifen platzten, befuhr eine kleine Rasenfläche, überfuhr ein Hinweisschild und einen Zaun auf einer Länge von etwa 5 Metern. Auch das vom Angeklagten geführte Fahrzeug wurde beschädigt. Ohne wegen der Schäden die Feststellung seiner Personalien zu ermöglichen und nunmehr im Bewusstsein der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit setzte der Angeklagte die Fahrt fort und fuhr mit quietschenden Reifen, mit den Vorderrädern auf den Felgen fahrend, davon. Beinahe kollidierte er dabei mit einem anderen fahrenden Pkw. Schließlich parkte er das Fahrzeug vor seinem Wohnhaus und legte sich ins Bett. Die um 20.08 Uhr auf Anordnung eines Polizeibeamten entnommene Blutprobe ergab einen BAK-Wert von 2,6 Promille.
Auf die Revision des Angeklagten hebt das OLG das Urteil des AG auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Jugendrichter zuständige Abteilung des AG zurück.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „… II. 1. Die Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung des § 81a StPO in vollem Umfang Erfolg.
Der Rüge liegen folgende, von der Revision vorgetragene Verfahrenstatsachen zu Grunde:
Nachdem die von Zeugen des Vorfalls herbeigerufenen Polizeibeamten nach 19:35 Uhr vor dem Haus, in dem der Angeklagte bei seinen Eltern wohnt, eingetroffen und dort den Vater des Angeklagten beim Reifenwechsel an dem Tatfahrzeug angetroffen hatten, geriet der Tatverdacht schnell auf den Angeklagten. Dieser wurde geweckt und fiel durch schwankenden Gang und Stand sowie Atemalkoholgeruch auf. Einen Alkoholtest lehnte er ab. Daraufhin ordnete der Polizeibeamte, POK H., auf der Grundlage des § 81a StPO eine Blutentnahme an, ohne zuvor Kontakt mit der Staatsanwaltschaft oder dem Ermittlungsrichter aufgenommen oder dies versucht zu haben. Im angefochtenen Urteil heißt es insoweit: “Im vorliegenden Fall hatte die Polizei entsprechend der langjährigen Praxis die Anordnung einer Blutprobe ohne vorherige Einschaltung der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts getroffen.’
Der Angeklagte leistete der Anordnung widerspruchslos Folge. Die Blutprobe wurde um 20.08 Uhr im Klinikum Lippe-Lemgo entnommen. Ein sog. “Nachtrunk’ hat nicht stattgefunden.
Bereits zu Beginn der Hauptverhandlung meldete der Verteidiger des Angeklagten Bedenken im Hinblick auf die Verwertung des auf der entnommenen Blutprobe basierenden BAK-Gutachtens wegen Verletzung des Richtervorbehalts an und widersprach der Verlesung und Verwertung noch vor Verlesung des Gutachtens in der Hauptverhandlung. Darauf verkündete das Gericht den Beschluss, dass das Gutachten verlesen und verwertet werden solle. Es wurde sodann durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt.
2. Die Rüge genügt den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Danach müssen bei einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht auf Grund dieser Darlegung das Vorhandensein – oder Fehlen – eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden (BGH NJW 1995, 2047; OLG Hamm NJW 2009, 242; OLG Hamm, Urt. v. 12.2.2008 = Beck RS 2008, 07744). Dem wird der Vortrag der Revision gerecht.
Zwar enthält die Revisionsbegründung keine Ausführungen dazu, ob überhaupt beim für Kalletal örtlich zuständigen AG Lemgo am 1.5.2008 zum Zeitpunkt der Anordnung der Blutprobenentnahme (der im Übrigen ebenfalls nicht näher mitgeteilt wird) ein richterlicher Eildienst bestand. Dies ist jedoch unschädlich. Denn entweder hat der die Blutprobenentnahme anordnende Polizeibeamte gegen den Richtervorbehalt verstoßen, indem er – trotz bestehenden richterlichen Eildienstes – nicht versucht hat, dessen Anordnung einzuholen, oder es liegt ein justizseitiger Verstoß (des Präsidiums oder des Eildienstrichters) vor, weil ein richterlicher Eildienst nicht eingerichtet war, obwohl...