SGB VII § 105
Leitsatz
Beschränkt sich die Hilfeleistung des Schädigers zu Gunsten der Geschädigten im Rahmen einer Starthilfeaktion darauf, dass er nach Überbrücken der beiden Batterien den Anlasser des Motors betätigt, greift der Haftungsausschluss des § 105 SGB VII nicht ein.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG München – Zivilsenate in Augsburg, Urt. v. 19.3.2009 – 24 U 346/08
Sachverhalt
Die Klägerin hat die beklagte Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Körperschadens in Anspruch genommen, den sie bei dem Versuch erlitten hatte, mit dem Pkw einer Versicherungsnehmerin der Beklagten Starthilfe zu geben. Die Klägerin hatte ihren Pkw auf einem Parkplatz abgestellt. Der Pkw sprang nicht an. Neben dem Pkw der Klägerin stand ein bei der Beklagten haftpflichtversicherter Pkw der Versicherungsnehmerin. Ein Nachbar holte die Schlüssel zu diesem Pkw, woraufhin die Klägerin versuchte, über ein Startkabel die Pole der Batterien beider Fahrzeuge zu verbinden. Der Nachbar begab sich in das Fahrzeug der Versicherungsnehmerin und startete den Motor. Da er übersehen hatte, dass ein Gang eingelegt war, machte das Fahrzeug einen Satz nach vorne, wodurch die Klägerin zwischen der Stoßstange und der Garagenwand eingeklemmt wurde. Die Klägerin hat wegen behaupteter Verletzungen den Ersatz materiellen und immateriellen Schadens verfolgt.
Das LG setzte das Verfahren aus, bis durch die zuständige Verwaltungsbehörde geklärt sei, ob es sich bei dem Unfall um einen Versicherungsfall i.S.d. SGB VII handele. Der von der Klägerin gestellte Leistungsantrag wurde von der Berufsgenossenschaft bestandskräftig abgelehnt. Das LG hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergibt sich dem Grunde nach sowohl aus den § 7 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG in der bis zum 31.12.2007 gültigen Fassung, da die Beklagte gem. § 1 PflVersG für Ansprüche gegen die Kfz-Halterin Frau K haftet, als auch gem. § 18 Abs. 1 S. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVersG a.F., da die Beklagte auch für Ansprüche gegen den Führer des Pkw Herrn M haften würde, soweit ein Führen i.S.v. § 18 StVG vorläge. Der Unfall ereignete sich beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, da sowohl der Motor des Pkw in Bewegung war als auch das Fahrzeug selbst sich bewegte (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, § 7 StVG, Rn 5, 5a). Nach dem unstreitigen Sachverhalt geschah der Unfall, als Herr M den Pkw startete und dabei übersah, dass ein Gang eingelegt war, sodass das Fahrzeug einen Sprung nach vorn machte. Dass der Startvorgang nur erfolgte, um dem Fahrzeug der Klägerin Starthilfe zu geben, wozu die Klägerin bereits Starthilfekabel angebracht hatte, ist ohne Bedeutung. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage wird von der Berufung auch nicht in Zweifel gezogen.
2. Mit Recht hat das LG angenommen, dass ein Haftungsausschluss sich weder aus § 105 Abs. 1 noch aus Abs. 2 SGB VII ergibt. Es liegt nämlich kein nach dem SGB VII versicherter Arbeitsunfall oder Unfall, der wie ein Arbeitsunfall zu behandeln ist, vor.
a) Herr M war keine Person, die beim Unglücksfall Hilfe leistete i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII. Das Fahrzeug der Klägerin stand auf einem Parkplatz, sodass von ihm keine Gefahr ausging, als es infolge einer entladenen Batterie fahrunfähig war. Deshalb lag bereits ein Unglücksfall nicht vor. Zudem führt die Sondervorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 13 SGB VII nicht zu dem Haftungsausschluss gem. § 105 SGB VII (BGHZ 166, 42).
b) Weder Herr M noch Frau K wurden im Unternehmen der Klägerin wie Arbeitnehmer im Sinn von § 2 Abs. 2 SGB VII tätig. Zwar ist anerkannt, dass auch der Eigentümer eines privat genutzten Pkws im Sinn des SGB VII als Unternehmer anzusehen sein kann, wenn ihm das Ergebnis der Arbeit einer Person unmittelbar zum Vorteil gereicht (§ 136 Abs. 3 SGB VII), die wie ein Versicherter nach § 2 Abs. 1 SGB VII tätig wird, § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII. Wie ein Versicherter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kann auch tätig werden, wer Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste ausübt. Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist jedoch, dass es sich um eine Tätigkeit handelt, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die zu dem Unternehmen in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit stehen; die Tätigkeit muss unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie einer Tätigkeit auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (BSG, Urt. v. 27.11.1985, 2 RU 37/84, zitiert nach Juris). Dies wurde in der zitierten BSG-Entscheidung für einen gelernten Schlosser bejaht, der den Seilzug des Anlassers eines Pkws reparierte. Der BGH hat dies bejaht bei einem Maschinenbaustudenten, der versuchte, am Pkw eines Freundes eine Lenkmanschette zu befestigen; dabei handelt es sich um eine technisch...