VwGO § 80 Abs. 5; FeV § 28 Abs. 4 S. 1 Nrn. 2, 3
Stellt eine Fahrerlaubnisbehörde – ohne die sofortige Vollziehung anzuordnen – fest, dass eine EU-Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kfz im Bundesgebiet berechtigt, und weist in der Entscheidung auf die Strafbarkeit weiterer Verkehrsteilnahme hin, so liegt ein faktischer Vollzug eines feststellenden Verwaltungsaktes vor. Rechtsschutz hiergegen ist in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO durch die Feststellung zu gewähren, dass der eingelegte Widerspruch aufschiebende Wirkung hat; eine Abwägung zwischen öffentlichem Vollzugsinteresse und dem individuellen Aussetzungsinteresse wie sonst im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 5 VwGO findet nicht statt.
VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 22.2.2010 – 10 S 2702/09
Aus den Gründen:
“Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des VG Stuttgart vom 27.11.2009 ist zulässig (vgl. §§ 146, 147 VwGO) und begründet.
Aus den vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass der sachdienlich verstandene Antrag des Antragstellers auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 2.10.2009 gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 30.9.2009 entgegen der vom VG vertretenen Auffassung statthaft und auch im Übrigen zulässig ist. Der Antrag hat in der Sache Erfolg, weil ein Fall der sog. faktischen Vollziehung vorliegt.
Bei der Entscheidung des Antragsgegners vom 30.9.2009, die festgestellt hatte, dass die dem Antragsteller erteilte tschechische Fahrerlaubnis der Klasse B vom 10.1.2005 keine Berechtigung zur Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr im Bundesgebiet entfaltet, handelt es sich – entgegen der wohl in der Erwiderung zur Beschwerde vertretenen Auffassung des Antragsgegners – um einen feststellenden Verwaltungsakt i.S.v. § 35 LVwVfG. Der Antragsgegner hat damit eine verbindliche und auf Bestandskraft angelegte Rechtsfolgenanordnung gem. § 35 Satz 1 LVwVfG getroffen, indem er über die von der tschechischen Fahrerlaubnis vermittelte Berechtigung mit Außenwirkung entschieden hat. Dieser Qualifizierung als Verwaltungsakt steht die Tatsache, dass sich die fehlende Berechtigung zum Ausnutzen der tschechischen Fahrerlaubnis im Inland möglicherweise bereits unmittelbar aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 FeV ergibt, nicht entgegen. Beschreitet die Verwaltungsbehörde in dieser Verfahrenssituation den Weg der rechtsnormwiederholenden und -konkretisierenden Verfügung, ohne zugleich den Sofortvollzug anzuordnen, muss sie billigerweise die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht abwarten und darf diesen Zustand nicht durch Vollzugsmaßnahmen unterlaufen (vgl. Bayer.VGH, Beschl. v. 6.10.2005 – NJW 2006, 2282).
Wie die Beschwerde zutreffend ausführt, liegt eine faktische Vollziehung des feststellenden Verwaltungsakts vor, obwohl der Antragsgegner auf dem tschechischen Führerschein des Antragstellers keinen Versagungsvermerk angebracht hat. Vollziehung des Verwaltungsaktes i.S.v. § 80 Abs. 1 VwGO bedeutet jegliches Gebrauchmachen von dem Verwaltungsakt, jegliche Verwirklichung seines materiellen Regelungsgehalts, gleichgültig, ob diese Verwirklichung durch die erlassende oder eine andere Behörde erfolgt, ob sie freiwillig oder zwangsweise geschieht, es einer behördlichen Ausführungsmaßnahme bedarf oder die Rechtswirkung durch den Verwaltungsakt selbst eintritt. Die aufschiebende Wirkung untersagt jedermann, aus dem angefochtenen Verwaltungsakt unmittelbare oder mittelbare, tatsächliche oder rechtliche Folgerungen gleich welcher Art zu ziehen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 24.6.1996 – 10 M 944/96 – NVwZ-RR 1997, 655; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rn 631). Gerade bei feststellenden Verwaltungsakten, die ihre Regelungswirkung unmittelbar entfalten und keines weiteren behördlichen Ausführungsaktes bedürfen, ist von einem weiten Vollzugsbegriff auszugehen. Der erlassenden Behörde ist es deshalb vor Eintritt der Vollziehbarkeit untersagt, dem Bürger die ausgesprochene Regelungswirkung entgegenzuhalten. Wie insbesondere die rein materiell-rechtlichen Erwägungen des Antragsgegners im erstinstanzlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und in seiner Beschwerdeerwiderung vom 19.1.2010 zeigen, geht das Landratsamt nicht von der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers aus, sondern berühmt sich der Vollziehbarkeit der Entscheidung vom 30.9.2009. Auch entfaltet die Feststellungsverfügung für den Antragsteller insofern eine nachteilige Rechtswirkung, als er damit von der Fahrerlaubnisbehörde auf die aus ihrer Sicht nicht vorliegende Berechtigung zum Fahren im Bundesgebiet ausdrücklich hingewiesen worden ist und somit in Zukunft bei Nichtbeachtung die ernsthafte Gefahr besteht, dass er strafrechtlich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG verfolgt wird (vgl. hierzu VG Ansbach, Beschl. v. 10.10.2008 – AN 10 ...