„ … [8] 1. Zutreffend geht das BG davon aus, dass nach § 80 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG ein Schaden “infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme nach § 8’ entstanden sein muss. § 8 Nds. SOG, der mit “Inanspruchnahme nichtverantwortlicher Personen’ überschrieben ist, sieht vor, dass die Verwaltungsbehörden und die Polizei unter bestimmten Voraussetzungen Maßnahmen gegen andere Personen als die nach §§ 6 oder 7 Verantwortlichen ergreifen können. Bei diesen handelt es sich um Verhaltens- und Zustandsstörer, die im Hinblick auf ihre Verantwortlichkeit ihre polizeiliche Inanspruchnahme ohne eine Entschädigung hinnehmen müssen (vgl. Senatsurt. v. 20.1.1966 – III ZR 109/64, BGHZ 45, 23, 25).
[9] Die Bestimmungen der §§ 6 bis 8 Nds. SOG gehen davon aus, dass wegen einer Gefahr Maßnahmen gegen eine (verantwortliche oder nichtverantwortliche) Person zu richten sind. Das waren in der vorliegenden Situation die Täter, die nach § 6 Nds. SOG als Verhaltensstörer von der Polizei in Anspruch genommen wurden. Dass die Polizei, worauf die Revision entscheidend abstellen will, durch kontrolliertes Rammen, also gezielt, auf das Fahrzeug des Kl. eingewirkt hat, bedeutet nicht, dass sie den Kl. nach § 7 Nds. SOG als Zustandsstörer oder nach § 8 Abs. 1 Nds. SOG als nichtverantwortliche Person in Anspruch genommen hätte. Von dem Zustand des Fahrzeugs ging keine Gefahr aus, sondern nur von seiner konkreten Verwendung als Fluchtmittel durch die Täter, deren Inanspruchnahme im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG möglich war. Im Übrigen ist nach § 7 Abs. 2 S. 2 Nds. SOG eine Inanspruchnahme des Eigentümers einer Sache als Zustandsstörer ausgeschlossen, wenn – wie hier – die tatsächliche Gewalt ohne seinen Willen durch eine andere Person ausgeübt wird.
[10] 2. Allerdings hat der Senat zu § 39 Abs. 1 Buchst. a OBG NRW, der ähnlich wie § 80 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG formuliert ist, entschieden, es liege auch dann eine Inanspruchnahme nach § 19 OBG NRW – also wie bei § 8 Nds. SOG die einer nicht verantwortlichen Person – vor, wenn sich bei der Inanspruchnahme des Eigentümers einer Sache als Zustandsstörer oder einer Person als Handlungsstörer nachträglich herausstelle, dass die zu beseitigende Gefahr in Wirklichkeit nicht bestanden habe (vgl. Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91, BGHZ 117, 303, 307 f.; v. 23.6.1994 – III ZR 54/93, BGHZ 126, 279, 283 f.; zu § 59 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln vgl. Senatsurt. v. 11.7.1996 – III ZR 133/95, NJW 1996, 3151, 3152). Dabei hat er es im Sinne eines gerechten Interessenausgleichs für erforderlich angesehen, wenn ein Einschreiten der Ordnungsbehörde bereits aufgrund eines durch Tatsachen begründeten Verdachts oder Anscheins einer Gefahr hingenommen werden müsse, die Entschädigungsvorschrift des § 39 Abs. 1 Buchst. a OBG NRW entsprechend weit zu verstehen und den wegen der Anscheinsgefahr in Anspruch genommenen Betroffenen wie einen Nichtstörer zu entschädigen, wenn sich entgegen der Annahme beim Eingriff nachträglich herausstelle, dass die Gefahr in Wirklichkeit nicht bestanden habe.
[11] 3. Von der vorerwähnten Konstellation, in der der Geschädigte als Störer in Anspruch genommen wurde, unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall dadurch, dass der Kl. – abgesehen davon, dass er durch das Verhalten der Polizei an seinem Fahrzeug einen Schaden erlitten hat – im Sinne des Polizeirechts unbeteiligter Dritter gewesen ist. Denn er ist weder Verhaltens- noch Zustandsstörer noch hat ihn die Polizei als Nichtverantwortlichen unter den besonderen, engeren Eingriffsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nds. SOG in Anspruch genommen.
[12] Einige Polizeigesetze der Länder sehen ausdrücklich einen Entschädigungs- oder Ausgleichsanspruch vor, wenn ein unbeteiligter Dritter durch eine rechtmäßige Maßnahme der Ordnungsbehörde oder der Polizei einen Schaden erleidet (vgl. Art. 70 Abs. 2 BayPAG, § 59 Abs. 1 Nr. 2 ASOG Bln, § 73 SOG M-V, § 222 LVwG SH; vgl. auch § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG). Dabei sind diese Ansprüche im Einzelnen unterschiedlich ausgestaltet.
[13] Fehlt es – wie hier in § 80 Nds. SOG – an einer ausdrücklichen Regelung, folgt hieraus nicht, dass ein unbeteiligter Geschädigter die nachteiligen Auswirkungen einer rechtmäßigen Maßnahme entschädigungslos hinnehmen müsste. Die Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder gehen auf den aus § 75 der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten entwickelten und von § 70 Preuß. PVG aufgenommenen Aufopferungsgedanken zurück, dass bei rechtmäßigen beeinträchtigenden Eingriffen der Staatsgewalt, die für den Betroffenen mit einem Sonderopfer verbunden sind, ein Entschädigungsanspruch gegen den Staat gegeben ist (vgl. eingehend hierzu Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 649 ff.; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, L 32, 40; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl. 2005, Rn 691; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 14. Aufl. 2008, § 15 Rn 4 ff.; 27; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2009, Rn 468). ...