OWiG § 107 Abs. 5, GKG § 28 Abs. 2, GKG KostVerz; UStG § 10 Abs. 1
Leitsatz
1. Schuldner der nach den §§ 28 Abs. 2 GKG, 107 Abs. 5 OWiG erhobenen Aktenversendungspauschale ist allein derjenige, der mit seiner Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle die Aktenversendung unmittelbar veranlasst.
2. Die Inrechnungstellung der vom RA verauslagten Aktenversendungspauschale unterliegt nach § 10 Abs. 1 UStG der Umsatzsteuer. Es liegt insoweit kein durchlaufender Posten i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 6 UStG vor.
3. Die auf die Aktenversendungspauschale entfallende Umsatzsteuer zählt deshalb zur gesetzlichen Vergütung des RA, die der Rechtsschutzversicherer seinem VN nach §§ 1, 5 Abs. 1a der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (hier ARB 2002) zu erstatten hat.
BGH, Urt. v. 6.4.2011 – IV ZR 232/08
Sachverhalt
Der bekl. Rechtsschutzversicherer hatte dem Kl. eine Deckungszusage für die in einem gegen ihn gerichteten Bußgeldverfahren entstehenden Anwaltskosten erteilt. Der beauftragte Anwalt beantragte Akteneinsicht durch Übersendung der Bußgeldakte in seine Kanzlei. Er stellte dem Kl. dafür die Aktenversendungspauschale von 12 EUR zzgl. darauf entfallender Umsatzsteuer von 2,28 EUR in Rechnung. Die bekl. Rechtsschutzversicherung hat die Erstattung der Umsatzsteuer mit der Begründung abgelehnt, die Aktenversendungspauschale unterliege als lediglich durchlaufender Posten nicht der Umsatzsteuer. Das AG und das LG haben der Klage wegen des Umsatzsteuerbetrages von 2,28 EUR stattgegeben. Auch die hiergegen eingelegte Revision der Bekl. hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[3] Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
[7] 1. Der Kl. hat bei dem hier unstreitigen Versicherungsfall im Inland nach §§ 1, 5 Abs. 1a ARB 2002 Anspruch auf Erstattung der Vergütung eines für ihn tätigen RA bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung, die sich nach § 1 Abs. 1 S. 1 RVG aus den RAgebühren und Auslagen zusammensetzt und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 1 UStG insgesamt der Umsatzsteuer unterliegt.
[8] 2. Die aufgrund von § 107 Abs. 5 OWiG von den Behörden erhobene Aktenversendungspauschale kann der RA seinem Mandanten als Auslage gesondert in Rechnung stellen. Sie unterfällt weder den mit den RAnwaltsgebühren abgegoltenen (§ 15 Abs. 1 RVG) allgemeinen Geschäftskosten des RA (Volpert in Burhoff, RVG 2. Aufl. S. 64; Schmidt in Burhoff, RVG 2. Aufl. S. 1516; Hartung in Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl. Vorbem. 7 VV Rn 9; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 17. Aufl. Vorbem. 7 VV Rn 8; Schneider in AnwK, RVG 2. Aufl. Vorbem. 7 VV Rn 29 f.; Bohnenkamp, JurBüro 2007, 569 f.), noch ist sie von der Post- und Telekommunikationspauschale des § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7002 VV abgedeckt (vgl. zur früheren Rechtslage nach § 26 S. 2 BRAGO: OLG Düsseldorf RPfleger 2002, 224, 225).
[9] 3. Die vom RA verauslagte Aktenversendungspauschale unterliegt bereits nach § 10 Abs. 1 UStG und nicht allein infolge der Inrechnungstellung (§ 14c Abs. 2 UStG i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG) der Umsatzsteuer. Es liegt auch kein durchlaufender Posten i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 6 UStG vor. Danach gehören nur Beträge, die der Unternehmer (hier der RA) im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt, nicht zum Entgelt.
[10] a) Nach st. Rspr. des Bundesfinanzhofes (vgl. u.a. BFH NJW 1968, 423; BFH/NV 1989, 744 m.w.N.), der sich der Senat anschließt, können Gebühren oder Auslagen, die RA bei Behörden für ihre Mandanten vorstrecken und sodann in Rechnung stellen, nur dann als durchlaufende Posten anerkannt werden, wenn diese Kosten nach verbindlichen Gebühren- oder Kostenordnungen berechnet werden, die den Mandanten als Kostenschuldner bestimmen. Unerheblich ist hingegen, ob der Behörde der Name des Mandanten ausdrücklich als Auftraggeber benannt wird (BFH a.a.O.; Schäpe, DAR 2008, 114, 115).
[11] b) Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Aktenversendungspauschale in Höhe von 12 EUR ist hier § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG, der die Übersendung der Akten durch die Verwaltungsbehörde betrifft. Die Umsatzsteuerpflicht des RA für die von ihm verauslagte Aktenversendungspauschale hängt mithin davon ab, wen § 107 Abs. 5 OWiG als Kostenschuldner bestimmt (Schäpe a.a.O.), wenn es dort heißt, die Pauschale werde von demjenigen erhoben, "der die Versendung der Akten beantragt".
[12] c) Diese Frage ist – sowohl mit Blick auf § 107 Abs. 5 OWiG als auch die im Wesentlichen gleich lautende Regelung des § 28 Abs. 2 GKG i.V.m. KV Nr. 9003 (" … schuldet nur, wer die Versendung … der Akte beantragt hat.") – in Rspr. und Literatur umstritten.
[13] aa) Vielfach wird angenommen, allein der Mandant werde Kostenschuldner, weil der RA stets nur aufgrund der ihm erteilten Vollmacht und somit als Vertreter seines Mandanten handele (Meyer, 9. Aufl. § 28 GKG Rn 5; OVG Hamburg RVGreport 2006, 318 (Hansens); OLG Düsseldorf JurBüro 2008, 375; LG Bayreuth JurBüro 1997, 433; AG Oldenburg AnwBl. 1996, 295; für § 107 Abs. 5 OWiG: AG Dessau AnwBl. 2007, 239; AG Chemnitz DAR 2008, 114; AG Stuttgart AGS 2008, 337). Die Kostentragungs...