Erweiterte Fassung des auf dem 49. VGT gehaltenen Referats.
I. Einleitung
Stillschweigende Haftungsbeschränkungen scheinen in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Gibt man bei juris den Begriff "stillschweigender Haftungsausschluss" ein, erhält man gerade einmal 138 Rechtsprechungs-Treffer.
Dennoch lohnt es sich, die durch die Rechtsprechung entwickelte Möglichkeit einer stillschweigenden Haftungsbeschränkung näher zu betrachten. Während beim "Betrieb eines Kraftfahrzeugs" in aller Regel eine (Pflicht-)Versicherung für etwaige Schäden aufkommt, ist dies bei einer Gefälligkeitsfahrt oder einer Probefahrt nicht immer der Fall – mit der Konsequenz, dass sich der Schädiger aufgrund eines leicht fahrlässig verursachten Unfalls hohen finanziellen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sehen kann. Was ist aber, wenn sich die Beteiligten vor ihrer Absprache über eine Gefälligkeitsfahrt oder eine Probefahrt keine Gedanken über "den Fall des Falles" gemacht haben, also darüber, wer für die Schäden aufzukommen hat, die im Rahmen einer solchen Fahrt durch einen Unfall entstehen können? Der (spätere) Schädiger will dem (späteren) Geschädigten doch lediglich einen Gefallen erweisen, ohne hierbei in Erwägung zu ziehen, dass es zu einem Unfall kommen kann, für dessen Folgen er nach dem Gesetz an sich einzustehen hat. Der Probefahrer wird das Objekt seines Kaufinteresses lediglich kurz testen und sich keine Gedanken darüber machen wollen, dass er hierbei schadensersatzpflichtig werden könnte, wenn er bei einem durch ihn verschuldeten Unfall das zur Probe gefahrene Fahrzeug beschädigt hat.
Auf der anderen Seite stehen der Empfänger der Gefälligkeit und der Verkäufer des zur Probe gefahrenen Fahrzeugs. Beide haben zunächst ein erhebliches eigenes Interesse daran und/oder sogar ausdrücklich darum gebeten, dass der (spätere) Schädiger einen Gefallen erweist bzw. eine Probefahrt unternimmt. Der nicht mehr fahrtüchtige Eigentümer eines Fahrzeugs will mitsamt seinem Gefährt vom Gefälligen nach Hause gebracht werden. Der Autohändler will ein Fahrzeug an den Probefahrer verkaufen, weil er damit Geld verdient. Der Gefällige und der Probefahrer haben daher umgekehrt ein nicht unerhebliches Interesse daran, dass sie jedenfalls dann keinen Schadensersatzansprüchen des Geschädigten ausgesetzt sind, wenn diese ein treuwidriges Gepräge haben. Der durch die Rechtsprechung entwickelte stillschweigende Haftungsausschluss hilft hierbei, unbillige Ergebnisse zu vermeiden.
Nachfolgend sollen die Voraussetzungen für die Annahme eines stillschweigenden Haftungsausschlusses unter besonderer Berücksichtigung der Gefälligkeitsfahrt und der Probefahrt dargestellt werden.
II. Voraussetzungen
Nach der Rechtsprechung, namentlich des BGH, kann sich ein stillschweigender Haftungsausschluss zwischen einem (späteren) Schädiger und einem (späteren) Geschädigten bei Fehlen einer ausdrücklichen Abrede aus einer konkludent getroffenen Vereinbarung oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB ergeben.
Bei der Annahme eines stillschweigend geschlossenen Vertrages über eine Haftungsfreistellung darf es sich allerdings nicht um eine künstliche, mit dem Mittel der Willensfiktion arbeitende Rechtskonstruktion handeln, mit der ein vom Richter als angemessen empfundenes Ergebnis begründet werden soll. Denn auch bei stillschweigenden Willenserklärungen darf nicht einfach ein in Wahrheit nicht vorhandener Wille fingiert und "untergeschoben" werden. Es ist vielmehr stets erforderlich, den wirklichen Parteiwillen durch eine einzelfallbezogene Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, was bei stillschweigenden Willenserklärungen naturgemäß oft schwierig ist. Der BGH ist daher, was die Annahme des Zustandekommens derartiger Verträge betrifft, sehr zurückhaltend.
Aber auch bei Annahme eines stillschweigenden Haftungsausschlusses im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist Zurückhaltung geboten. Die ergänzende Vertragauslegung darf nicht zu einer Abänderung oder Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen. Denn im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung darf lediglich der Vertragsinhalt, nicht hingegen der Vertragswille ergänzt werden.
Es bedarf daher in allen Fällen, in denen die Möglichkeit eines stillschweigenden Haftungsausschlusses gegeben ist, einer sorgfältigen Prüfung der von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für die Annahme eines solchen Ausschlusses.
Ob ausnahmsweise ein stillschweigender Haftungsausschluss, an den bei Abschluss der Vereinbarung niemand gedacht hat, anzunehmen ist, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls.
Voraussetzung ist immer, dass der Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen, einen Haftungsverzicht gefordert und sich der Geschädigte dem ausdrücklichen Ansinnen einer solchen Abmachung billigerweise nicht hätte versagen dürfen. Um eine solche Annahme bejahen zu können, muss ein Verhalten vorliegen, das einen Schluss auf die wirksame Abgabe entsprechender W...