1) Die Haftung des Busfahrers und Halters gem. §§ 7, 18 StVG konnte dadurch modifiziert werden, dass die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldverhältnis eingriffen. Waren weitere Personen für den Eintritt des schädigenden Ereignisse durch Drängeln ursächlich geworden, ihre Haftung jedoch nach der gesetzlichen Haftungsprivilegierung des § 106 SGB VII haftungsprivilegiert, wurde damit ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis begründet. Ohne die Haftungsprivilegierung hätte der verletzte Schüler etwa drängelnde Schüler und Busfahrer und Halter auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können. Weiterhin hätten Busfahrer und Halter – ohne eine bestehende Haftungsprivilegierung der weiteren Schädiger – Ausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB verlangen können. Die angenommene Haftungsprivilegierung hat zunächst die Folge, dass der verletzte Schüler etwa drängelnde Schüler nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, im Verhältnis zwischen den Schädigern hat die Haftungsprivilegierung zur Folge, dass eine Störung des Gesamtschuldverhältnisses eintritt, die Auswirkungen auf die Haftung des nicht privilegierten Schädigers hat. Der Anspruch des Geschädigten gegen den nicht privilegierten Schädiger wird in Höhe des Verantwortungsanteils gekürzt, der auf den privilegierten Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man die Haftungsprivilegierung wegdenkt (vgl. BGH NJW 1973, 1648; BGH NJW 2003, 2984; Lemcke, r + s 2006, 52). Hätten die drängelnden Schüler, ohne die zu ihren Gunsten zu berücksichtigende Privilegierung im Innenverhältnis, 40 % des Schadens zu tragen gehabt, führte dies im Verhältnis des Busfahrers und Halters zu dem geschädigten Schüler dazu, dass sie lediglich mit einer Quote von 60 % hafteten.
2) Voraussetzung für diese Haftungsreduzierung ist allerdings das Vorliegen der Haftungsprivilegierung. Dabei ist zum einen zu beachten, dass die frühere, die Schulunfälle regelnde Bestimmung des § 637 Abs. 4 RVO und die hierzu ergangene Rspr. zu berücksichtigen ist. Hinzu kommt, dass die für Schulunfälle geltenden Bestimmungen der §§ 106, 104, 105 SGB VII, die nicht auf die Schulsituation, sondern auf betriebliche Vorgänge zugeschnitten sind, zunächst gedanklich umgeformt werden müssen (vgl. BGH VersR 1992, 854; OLG Schleswig VersR 2002, 238; OLG Hamm NZV 2004, 400). Statt einer Betriebsbezogenheit der Verletzungshandlung ist für das Eingreifen der Haftungsbefreiung eine Schulbezogenheit erforderlich (vgl. BGH a.a.O.; OLG Koblenz NJW-RR 2006, 1174, 1176). Schulbezogenheit ist dann gegeben, wenn die Verletzungshandlung in innerer Verbindung zum Schulbetrieb und aufgrund des engen schulischen Kontakts erfolgt ist (vgl. BGH VersR 2004, 789; OLG Koblenz a.a.O; Geigel-Wellner, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kapitel 31 Rn 1149). Die Vielfalt erfasster Verhaltensweisen macht die Aufzählung von Geigel-Wellner (a.a.O. Rn 115, 116) deutlich. Schulspezifisch gefährdende Verhaltensweisen an Bushaltestellen stellt das Drängeln mit der Gefährdung der am Straßenrand stehenden Schülern dar, sodass eine Schulbezogenheit der Schädigungshandlung anzunehmen ist. Allerdings scheitert die Feststellung einer Haftungsprivilegierung daran, dass es nicht feststeht, dass Mitschüler, deren Namen nicht unbedingt bekannt sein müssen (vgl. BGH NJW 1982, 1041), gedrängelt haben. Da dieser Nachweis nicht geführt worden ist, griffen zugunsten der Bekl. die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs nicht ein.
RiOLG a.D. Heinz Diehl, Neu-Isenburg