Ob die außergerichtliche Vertretung zweier Unfallgeschädigter zwei gebührenrechtliche Angelegenheiten sind oder nur eine einzige, ist im RVG, insb. in den §§ 16 ff RVG nicht ausdrücklich geregelt. Ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich somit nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten.

Rechtsprechung des BGH

Für die Abgrenzung, ob eine oder mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten vorliegen, ist insb. der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend (BGH RVGreport 2011, 16 [Hansens] = JurBüro 2010, 638; BGH RVGreport 2011, 15 [ders.] = JurBüro 2010, 636; BGH RVGreport 2009, 423 [ders.] = AGS 2009, 472; BGH NJW 2011, 2591; BGH RVGreport 2014, 388 [ders.] = AGS 2014, 263; BGH RVGreport 2016, 94 [ders.]). Danach betreffen weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Dabei erfordert die Annahme einer einzigen Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne nicht, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Vielmehr kann auch dann noch von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit ausgegangen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat (BGH RVGreport 2011, 339 [Hansens] = JurBüro 2011, 522). Von einem einheitlichen Rahmen kann dann ausgegangen werden, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich von dem Rechtsanwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Dabei kann von einem inneren Zusammenhang ausgegangen werden, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören (s. BGH RVGreport 2014, 388 [Hansens] = AGS 2014, 263).

Umstände im Fall des AG Lörrach

Legt man diese Grundsätze an den Fall des AG Lörrach an, hätte man auch zu einem anderen Ergebnis kommen können.

Es kommt für die Frage, ob eine oder ob mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten vorliegen, nicht darauf an, ob der Rechtsanwalt von den Mandanten am selben Tage oder nacheinander beauftragt worden ist. Ebenso wenig ist entscheidend, ob der Anwalt gesonderte Handakten für jeden der beiden Mandanten angelegt hat und hierbei – wie im Fall des AG Lörrach – verschiedene Aktenzeichen vergeben hat. Würde man hierauf abstellen, hätten es der Rechtsanwalt oder seine Kanzleiangestellte selbst in der Hand, ob die Mandate gebührenrechtlich als eine einzige oder – bei Anlage mehrerer Handakten – als mehrere Angelegenheiten abzurechnen sind. Auch der Umstand, dass der Rechtsanwalt die Aufforderungsschreiben im Abstand von wenigen Tagen gefertigt hat, spricht nicht gegen die Annahme nur einer einzigen Angelegenheit. Der sich aus der Jahreszahl 2018 ergebende Jahresabstand beruht offensichtlich auf einem Schreibfehler, da die Versicherung auf ein Schreiben vom 31.5.2018 nicht schon am 21.7.2017 hat erwidern können.

Der für die Annahme nur einer einzigen Angelegenheit sprechende innere Zusammenhang ergibt sich daraus, dass die Ansprüche des Kl. und seiner Ehefrau ihre Grundlage in demselben Verkehrsunfall vom 24.5.2017 hatten. Der Umstand, dass der Kl. einen Schmerzensgeldanspruch geltend gemacht hatte und seine Ehefrau den Ersatz des Sachschadens, spricht nicht gegen einen inneren Zusammenhang zwischen den beiden Ansprüchen (s. BGH RVGreport 2011, 339 [Hansens]). Wären die Ansprüche nicht vorgerichtlich reguliert worden, hätten sie in einer gemeinsamen Klage geltend gemacht werden können.

Dass dies aus verfahrensrechtlichen Gründen unklug wäre, weil dann der Kl. als Fahrer als Zeuge ausscheiden würde, ist gebührenrechtlich ohne Belang. Dem kann dadurch Rechnung getragen werde, dass der Ehemann seine Ansprüche an seine Ehefrau abtritt und nur sie allein beide Ansprüche in einer Klage geltend macht.

Gegen eine gemeinsame Klage kann allerdings sprechen, wenn sich die Ansprüche des verletzten Mitinsassen des Fahrzeugs nicht nur gegen den Gegner, sondern auch gegen den Fahrer richten können. In diesem Fall darf der Anwalt aber wegen der bestehenden oder auch nur möglichen Interessengegensätze schon nicht die außergerichtliche Vertretung des Fahrers und des verletzten Mitinsassen übernehmen.

Weitere Rechtsprechung

Mit seiner Auffassung befindet sich das AG Lörrach allerdings in guter Gesellschaft, haben doch einige Gerichte in vergleichbaren Fallgestaltungen ebenfalls verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten angenommen:

AG Aichach zfs 2016, 347 m. Anm. Hansens = RVGreport 2016, 176 (Hansens) =...

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