RVG § 7 § 15; VV RVG Nr. 2300
Leitsatz
(1) Die außergerichtliche Vertretung des Fahrers nach einem Verkehrsunfall wegen Schmerzensgeldes und der mit dem Fahrer verheirateten Halterin des Fahrzeugs wegen Sachschäden stellt zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten dar, wenn der Rechtsanwalt zwei verschiedene Mandate aufgenommen und die Ansprüche in verschiedenen Schreiben bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend gemacht hat.
(2) Dem steht nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt die Mandate am selben Tag angenommen und die Aufforderungsschreiben im Abstand weniger Tage gefertigt hat
(3) Die gegnerische Haftpflichtversicherung hat dann, wenn beide Ansprüche begründet sind, auch zwei Geschäftsgebühren nebst Auslagen zu erstatten.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Lörrach, Urt. v. 18.2.2019 – 6 C 1185/18
Sachverhalt
Der Kl., der Fahrer des bei einem Verkehrsunfall vom 24.5.2017 beschädigten Kraftfahrzeug war und seine Ehefrau, die Eigentümer und Halterin dieses Fahrzeugs ist, beauftragten am Unfalltag RA R mit der außergerichtlichen Schadensregulierung. Unter dem für den Kl. eingerichteten Aktenzeichen U-322/17-PR forderte Rechtsanwalt R die hier beklagte Haftpflichtversicherung mit Schreiben vom 26.5.2017 zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 800 EUR auf. Für die Ehefrau hatte der Rechtsanwalt das Aktenzeichen U-321/17–PR eingerichtet. Unter diesem Aktenzeichen machte der Rechtsanwalt unter dem Datum 31.5.2018 (richtig: 31.5.2017) bei der Haftpflichtversicherung Sachschaden geltend. Mit Schreiben v. 21.7.2017 nahm die Versicherung zu den Ansprüchen der Ehefrau Stellung und regulierte den Sachschaden und die vorgerichtlichen Anwaltskosten, die sich aus einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagen zusammensetzten. In der Folgezeit zahlte die Versicherung auch das vom Kl. verlangte Schmerzensgeld. Sie weigerte sich jedoch, eine nach einem Gegenstandswert von 800 EUR berechnete (weitere) Geschäftsgebühr nebst Auslagen im Gesamtbetrag von 147,56 EUR zu zahlen.
Die vom Kl. vor dem AG Lörrach erhobene Klage hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aufgrund des Verkehrsunfalls am 24.5.2017. Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich aus § 7 StVG, § 115 VVG, §§ 823, 249 ff. BGB in zuerkannter Höhe."
1. Die Haftung wegen des o.g. Verkehrsunfalls des Kl. mit dem VN der Bekl. dem Grunde nach, ist zwischen den Parteien unstreitig.
2. Die Bekl. schuldet dem Kl., der durch den Unfall verletzt wurde, insoweit grds. den aus dem Unfallereignis vom 24.5.2017 resultierenden Schaden.
a) Unbestritten wurde außergerichtlich von Seiten des Kl. durch den Klägervertreter mit Schreiben vom 26.5.2017 mit dem Zeichen U-322/17-PR ein Schmerzensgeld geltend gemacht, dabei unter Beifügung entsprechender ärztlicher Unterlagen, und von der Bekl. i.H.v. 800 EUR auch reguliert.
b) Entgegen der Ansicht der Beklagtenseite stehen dem Kl. auch die bei der Durchsetzung dieses Anspruchs entstandenen, vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 147,56 EUR (aus dem Streitwert von 800 EUR) zu.
c) Bei der Geltendmachung des Schmerzensgeldes des Kl. gegen die Bekl. einerseits und der Geltendmachung der Ansprüche durch die Eigentümerin des beim Unfall beschädigten Fahrzeugs, nämlich der Ehefrau des Kl., andererseits, handelt es sich um keine einheitliche Angelegenheit im Sinne des § 7 RVG.
aa) Von einer einheitlichen Angelegenheit kann nur ausgegangen werden, wenn es sich um einen Auftrag sowie einen Tätigkeitsrahmen mit einem inneren Zusammenhang handelt (vergleiche nur Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, § 15 Rn 7 ff. m.w.N.; s.a. Anm. zu AG Landshut SVR 2015, 220 f.; Anm. zu AG Hannover SVR 2011, 458 f. mit weiteren Nachweisen; s.a. LG Passau, U. v. 21.5.2015 – 3 S 101/14; AG Bochum zfs 2016, 349 m. Anm. Hansens = RVGreport 2016, 217 [Hansens]; Anm. Kääb zu AG Bielefeld vom 29.9.2017 – 401 C 158/17 – in FD-StrVR 18, 402308).
(1) Erste Voraussetzung dafür, die Tätigkeit des Anwalts einer einzigen Angelegenheit zuzuordnen, ist, dass ein einheitlicher Auftrag vorliegt. Das wiederum ist jedenfalls immer dann gegeben, wenn der Anwalt von einem Mandanten einen konkreten Auftrag erhält, hinsichtlich eines bestimmten Gegenstandes tätig zu werden (vergleiche AnwKomm-RVG/Schneider/Wolf, 6. Auflage, § 15 Rn 24). Vorliegend wurde der Klägervertreter durch den Kl. am 24.5.2017 bevollmächtigt, ein Schmerzensgeld aufgrund erlittener Verletzungen aus dem Verkehrsunfall vom 24.5.2017 geltend zu machen. Ebenfalls mit – weiterer – Vollmacht vom 24.5.2017 wurde der Klägervertreter durch die Eigentümerin des beschädigten Fahrzeug beauftragt, den ihr entstandenen materiellen Schaden zu regulieren.
(2) Unabhängig von der Tatsache, dass die jeweilige Beauftragung am selben Tag erfolgte und die beiden Geschädigten jedenfalls damals miteinander verheiratet waren, hat der Klägervertreter, vom Beklagtenvertreter zugestanden, unter den beiden Aktenzeichen U-322/17-PR und U-321/17-PR zwei separat...