RVG § 11 Abs. 1 und 5 S. 1; VV RVG Nrn. 1000, 1003; ZPO §§ 104 Abs. 2 S. 1, 294

Leitsatz

Die Behauptung des Auftraggebers, die Tätigkeit seines prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts sei für den späteren Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs nicht ursächlich geworden, stellt eine Einwendung dar, die im Gebührenrecht ihren Grund hat und die der Festsetzung einer Einigungsgebühr im Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG nicht entgegensteht.

BGH, Beschl. v. 29.4.2020 – XII ZB 536/19

Sachverhalt

Der BGH hat hier über die Rechtsbeschwerde der den Vergütungsfestsetzungsantrag stellenden Rechtsanwälte gegen den Beschl. des OLG Brandenburg zfs 2020, 42 m. Anm. Hansens entschieden. Hinsichtlich des Sachverhalts kann deshalb auf zfs 2020, 42 verwiesen werden. Deshalb soll der Sachverhalt hier nur kurz zusammengefasst werden: Die Rechtsanwälte (künftig: Ast.) hatten den Kl. in dem vor dem LG Cottbus anhängigen Rechtsstreit als Prozessbevollmächtigte vertreten und mit den Gegenanwälten Vergleichsverhandlungen geführt. Nach Beendigung des Mandats wurde der außergerichtliche zur Beendigung des Rechtsstreits führende Vergleich auf Seiten des Kl. von einer anderen Anwaltskanzlei geschlossen. Hieraufhin haben die ASt. gegen den Kl. gem. § 11 RVG die Festsetzung ihrer Vergütung, darunter einer 1,0 Einigungsgebühr gem. Nrn. 1000, 1003 VV RVG beantragt. Der Kl. hat der Festsetzung der Einigungsgebühr mit der Begründung widersprochen, die Mitwirkung der ASt. am Vergleichsschluss sei nicht ersichtlich. Die Rechtspflegerin des LG Cottbus hat den Festsetzungsantrag hinsichtlich der Einigungsgebühr zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das OLG Brandenburg (zfs 2020, 42 m. Anm. Hansens = RVGreport 2019, 450 (Hansens) = AGS 2020, 124) zurückgewiesen. Die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde der Ast. hatte beim BGH vorläufigen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

"…"

[7] II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. (…)

[15] 2. (…) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts stellt die Behauptung des AG, die Tätigkeit der ASt. sei für den späteren Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs nicht ursächlich geworden, eine Einwendung dar, die ihren Grund im Gebührenrecht hat und daher der Festsetzung einer Einigungsgebühr im Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG nicht entgegensteht, sondern im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu überprüfen ist.

[16] a) Noch zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass auch die von einem Rechtsanwalt für den Abschluss eines außergerichtlich abgeschlossenen Einigungsvertrags verdiente Einigungsgebühr nach VV Nr. 1000, 1003 RVG im Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG festgesetzt werden kann, wenn mit dem Einigungsvertrag ein gerichtliches Verfahren ganz oder teilweise beendet worden ist (BeckOK RVG/v. Seltmann [1.12.2018] § 11 Rn 12; Schneider/Volpert/Fölsch/Klos, Gesamtes Kostenrecht 2017 § 11 RVG Rn 13; vgl. auch OLG Hamm JurBüro 2005, 87).

[17] b) Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, wonach der Einwand der Partei, die Tätigkeit ihres früheren Rechtsanwalts sei nicht ursächlich für das Zustandekommen eines später von dieser außergerichtlich durch andere Rechtsanwälte mit der Gegenseite abgeschlossenen Vergleichs gewesen, als nicht gebührenrechtlicher Einwand i.S.v. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG anzusehen sei.

[18] aa) Ob die Behauptung des Auftraggebers, die Tätigkeit seines früheren Prozessbevollmächtigten sei für den Abschluss eines späteren außergerichtlich abgeschlossenen Vergleichs nicht ursächlich geworden, eine nicht gebührenrechtliche Einwendung i.S.v. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG darstellt, ist umstritten.

[19] Vereinzelt wird in der obergerichtlichen Rspr. mit dem Beschwerdegericht die Auffassung vertreten, dass der Streit um die Ursächlichkeit einer früheren anwaltlichen Tätigkeit für einen später ohne die Beteiligung des Rechtsanwalts abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleich im Hinblick auf den Zweck des vereinfachten Festsetzungsverfahrens als eine Einwendung zu betrachten sei, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund habe, so dass eine Gebührenfestsetzung nach § 11 Abs. 1 RVG ausscheide (OLG Frankfurt JurBüro 1987, 1799; KG, Beschl. v. 11.5.1979 – 1 W 879/79 – juris Rn 4 jeweils zu § 19 Abs. 4 BRAGO; Hartmann/Toussaint Kostenrecht 50. Aufl. § 11 RVG Rn 83 “Vergleich').

[20] Die überwiegende Ansicht in Rspr. und Schrifttum bejaht bei einem Streit über die Ursächlichkeit der Mitwirkung eines Rechtsanwalts an einem späteren Vergleichsabschluss hingegen das Vorliegen einer gebührenrechtlichen Einwendung, die der Festsetzung der Einigungsgebühr im Festsetzungsverfahren nicht entgegensteht (KG Beschl. v. 10.1.2017 – 27 W 103/16 – BeckRS 2017, 101889; KG RVGreport 2009, 275 (Hansens) = AGS 2009,33 = JurBüro 2009, 35; OLG Köln JurBüro 2013, 87 = MDR 2012, 1498, 1499; Mayer/Kroiß RVG 7. Aufl. § 11 Rn 23; BeckOK RVG/v. Seltmann [1.12.2018] § 11 Rn 12; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 24. Aufl. § 11 Rn 84 f....

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