Die Corona-Pandemie und die Folgen des durch sie verursachten Lockdown haben eine Unzahl von Unternehmen gerade mittlerer und kleiner Größe nicht zuletzt im Beherbungsgewerbe in existenzbedrohende Notlagen geführt. Ihr Versicherungsschutz, soweit sie ihn sich leisten konnten, hat sich als brüchig erwiesen. Zugleich werden VR und VN, vor allem aber auch Makler, aus den Problemen lernen müssen.
Die abgedruckte Entscheidung, die erste publizierte zu Corona-Problemen des Versicherungsvertragsrechts, zeigt die Problematik einer völlig unerwarteten Konfrontation mit unkalkulierbaren Risiken. Das LG Mannheim war (im Rahmen eines Eilrechtsschutzverfahrens) mit der Deckungspflicht aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung aufgrund von Teilschließungen von Hotelbetrieben befasst.
AVB solcher Produkte sind bunt. Sie nehmen zwar Bezug auf hoheitliche Maßnahmen aufgrund des (bis März 2020 weithin unbekannten) Infektionsschutzgesetzes, aber dieser Bezug ist ganz unterschiedlich. Das Deckungsversprechen erfasst, wie im Streitfall, behördliche (Teil-)Betriebsschließungen zur Verhinderung der Verbreitung von – "in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten" – meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern. Andere Produkte formulieren anders: Es gibt neben dem Klauseltext im Streitfall Verträge, die lediglich "meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger" als Auslöser bezeichnen, solche, die nicht auf das IfSG verweisen, sondern den Katalog enumerativ oder beispielhaft in den Vertragstext übernehmen, und solche, die auf die Meldepflicht Bezug nehmen und dann formulieren, "namentlich die in den §§ 6, 7 IfSG genannten" (vgl. Rixecker in Schmidt, Covid-19, § 11 Rn 57 ff.).
Das LG Mannheim scheint die Auffassung zu vertreten, diese Differenzierungen seien irrelevant, weil der durchschnittlich verständige VN gewissermaßen selbstverständlich SARS-Cov2 als erfasst betrachte und die §§ 6 und 7 IfSG auch eine Generalklausel für weitere, nicht namentlich bezeichnete Krankheiten oder Krankheitserreger kennen.
Ob man das so sehen kann, ist fraglich. Denn auch der durchschnittlich verständige VN muss vom Wortlaut der jeweiligen Klausel ausgehen. Und bei angemessenem Sprachverständnis besteht ein erheblicher Unterschied, ob ein Versicherungsfall ausgelöst wird durch im Vertrag selbst namentlich benannte Krankheiten oder Krankheitserreger, durch vom Vertrag in Bezug genommene in Vorschriften des IfSG "namentlich benannte" oder durch Krankheiten oder Krankheitserreger, namentlich jene, die im IfSG aufgeführt werden. Zugegeben: Das mag als sprachliche Finesse erscheinen, die weder einem durchschnittlichen VN noch einem durchschnittlichen VR (noch einer Versicherungskammer) bewusst sein mögen. Aber sie haben einen Hintergrund, den das LG Mannheim ausdrücklich leugnet: Die "namentlich" im IfSG benannten Bedrohungen sind bekannt, in ihren Folgen grds. überschaubar und damit versicherungsmathematisch kalkulierbar. Eine Analogie zu allen vergleichbar hochriskanten Viren würde diese Einschätzung finanzieller Belastungen aus den Angeln heben. Das rechtfertigt es, dort, wo sich der VR sprachlich an die zum Zeitpunkt des Versicherungsvertrages bekannten und erwartbaren Risiken gehalten hat, genau diese Risiken als gedeckt zu betrachten, andere, neuartige aber nicht. In anderen Fällen wird der VN allerdings prüfen dürfen, ob sein Versicherungsmakler aufgrund seiner vom Gesetz verlangten umfassenden Marktübersicht die Produktvielfalt nicht hätte erkennen und berücksichtigen müssen.
Prof. Dr. Roland Rixecker
zfs 7/2020, S. 392 - 395