Fahrerlaubnisrecht
Begrenzung des Tattagsprinzips des Fahreignungs-Bewertungssystems durch das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 S. 1 StVG (BVerwG, Urt. v. 22.6.2020 – 3 C 14.19)
Das BVerwG hat mit Urt. v. 22.6.2020 (3 C 14.19) entschieden, dass das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 S. 1 StVG das für die Berechnung des Punktestandes maßgebliche Tattagsprinzip des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4 Abs. 5 S. 5–7 StVG) überlagert und begrenzt. Dem Kläger wurde die Fahrerlaubnis entzogen, weil er mit der Begehung einer am 19.7.2015 begangenen und rechtskräftig geahndeten Verkehrsordnungswidrigkeit einen Stand von 8 Punkten im Fahreignungsregister erreicht hatte. Allerdings waren zum Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis am 24.11.2016 bereits Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einem Wert von vier Punkten wegen des Ablaufs der Überliegefrist von einem Jahr (§ 29 Abs. 6 S. 2 StVG) aus dem Register zu löschen. Das BVerwG hat nun klargestellt, dass das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 S. 1 StVG auch bei Eintragungen zu punktebewehrten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr greift, die im Fahreignungsregister zwar nicht bis zu dem nach § 4 Abs. 5 S. 5 StVG maßgeblichen Tattag, aber vor dem Ergreifen der nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem vorgesehenen Maßnahme zu löschen sind. Nach § 29 Abs. 7 S. 1 StVG habe die Löschung einer Eintragung, die gem. § 29 Abs. 6 S. 2 StVG nach Ablauf der Überliegefrist von einem Jahr nach Eintritt der Tilgungsreife erfolge, ein absolutes Verwertungsverbot zur Folge. Dieses Verwertungsverbot überlagere und begrenze das für die Berechnung des Punktestandes nach § 4 Abs. 5 S. 5 bis 7 StVG maßgebliche Tattagsprinzip. Die entsprechenden Punkte müssen daher unberücksichtigt bleiben. Die nachfolgend genannte Pressemitteilung ist in diesem Heft auf Seite 56 abgedruckt.
Quelle: Pressemitteilung des BVerwG Nr. 35/2020 v. 22.6.2020
Verkehrsverwaltungsrecht
Bau von Radwegen auf Brückenbauwerken von Bundesfernstraßen
Am 3.7.2020 ist das Achte Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften v. 29.6.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl I S. 1528). Betriebswege auf Brücken von Autobahnen und Kraftfahrstraßen sind nach § 3 Abs. 1 S. 3 FStrG n.F. zukünftig bedarfsabhängig so zu bauen und zu unterhalten, dass auf ihnen auch Radverkehr abgewickelt werden kann. Hierdurch soll ein Lückenschluss bei Radwegen, insb. im urbanen Bereich, bei Brücken über Wasserstraßen ermöglicht und der Radverkehr gefördert werden.
Quelle: BR-Drucks 11/20
Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren (BVerfG, Beschl. v. 3.6.2020 – 1 BvR 1246/20)
Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat mit einstweiliger Anordnung v. 3.6.2020 (1 BvR 1246/20) eine einstweilige Verfügung des LG Berlin in einem äußerungsrechtlichen Eilverfahren außer Kraft gesetzt, die den Beschwerdeführer ohne vorherige Anhörung zur Unterlassung einer Äußerung verpflichtet hatte. Die Kammer bekräftigte mit der Entscheidung die Rspr. des BVerfG zu den grundrechtlichen Anforderungen, die sich aus der prozessualen Waffengleichheit in einstweiligen Verfügungsverfahren ergeben (vgl. Beschl. der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30.9.2018 – 1 BvR 1783/17). Sie hat erneut klargestellt, dass eine Einbeziehung der Gegenseite in das einstweilige Verfügungsverfahren grds. auch dann erforderlich ist, wenn wegen besonderer Dringlichkeit eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen darf. Zudem hat sie bekräftigt, dass eine prozessuale Einbeziehung der Gegenseite nur dann gleichwertig durch eine vorprozessuale Abmahnung ersetzt werden könne, wenn Abmahnung und Verfügungsantrag identisch sind. Wenn der Verfügungsantrag auf das vorprozessuale Erwiderungsschreiben argumentativ repliziere, neue Anträge enthalte oder nachträglich ergänzt oder klargestellt werde, sei das nicht der Fall.
Quelle: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 44/2020 v. 5.6.2020
Steuerrecht
Corona-Steuerhilfegesetze
Am 30.6.2020 ist das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) v. 29.6.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl I S. 1512). Durch das Gesetz werden u.a. die Mehrwertsteuersätze im Zeitraum vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 auf 16 % bzw. 5 % gesenkt. Durch das am Tag zuvor veröffentlichte Corona-Steuerhilfegesetz v. 29.6.2020 (BGBl I S. 1385) war die Mehrwertsteuer für die Gastronomie bereits für den Zeitraum vom 1.7.2020 bis zum 30.6.2021 von 19 % auf 7 % gesenkt worden. In der Gastronomie gilt nun nach derzeitigem Stand bis zum 31.12.2020 ein Mehrwertsteuersatz von 5 % und vom 1.1.2020 bis zum 30.6.2021 ein Satz von 7 %.
Autor: Karsten Funke
Karsten Funke, Richter am Landgericht, München
zfs 7/2020, S. 362