FeV § 11 Abs. 8 § 13 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. e
Leitsatz
1. Dient eine Fahreignungsbegutachtung dazu, in Erfahrung zu bringen, ob eine Person überhaupt alkoholabhängig ist, so darf zu diesem Zweck gemäß § 13 S. 1 Nr. 1 FeV lediglich die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens verlangt werden, nicht eines medizinisch-psychologisches Gutachtens.
2. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn es sich um einen ehemals alkoholabhängigen Fahrerlaubnisinhaber handelt. Hat dieser einmal die Hürde des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. e FeV genommen, ist er wieder als fahrgeeignet anzusehen und verliert die Fahreignung wie jeder andere Fahrerlaubnisinhaber erst wieder, wenn eine Alkoholabhängigkeit nach Nummer 8.3 Anlage 4 FeV festgestellt wird (wie BayVGH, Beschl. v. 9.12.2014 – 11 CS 14.1868, juris Rn 18).
SächsOVG, Beschl. v. 8.2.2021 – 6 B 404/20
1 Aus den Gründen:
"…"
[2] Der ASt. begehrt mit seinen Antrag die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die mit Bescheid der AG v. 4.8.2020 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, M, S und L. Nach Erlass des Widerspruchsbescheids v. 23.11.2020 richtet sich sein Antrag bei sachdienlicher Auslegung auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von ihm erhobenen Klage.
[3] Dem ASt. war 2003 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (BAK 1,33 ‰) die Fahrerlaubnis entzogen worden. Nach einer medizinisch-psychologischen Begutachtung war ihm 2012 die Fahrerlaubnis wieder erteilt worden.
[4] Am 15.9.2019 führte der ASt. um 1:25 Uhr ein Kfz mit einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,39 mg/l (entspricht einer BAK von 0,78 ‰). Mit Anordnung v. 18.5.2020 forderte die AG den ASt. zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung einer Alkoholabhängigkeit bis zum 20.7.2020 auf. Die Fragestellung für die Begutachtung lautet: “Hat Herr M. die Alkoholabhängigkeit überwunden, liegt also eine stabile Abstinenz vor? Kann er ein Kfz der Gruppe 1/FE-Klassen A und B sicher führen? Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass er zukünftig ein Kfz unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder liegen psychofunktionale oder andere alkoholassoziierte Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kfz der Gruppe 1/FE-Klassen in Frage stellen?'. Als Rechtsgrundlage wurde § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. e FeV genannt. Nach einem verkehrspsychologischen Eingangsgespräch empfahl die Gutachtenstelle dem ASt., eine VIB (verhaltenstherapeutische Intensivberatung) und einen Alkoholabstinenznachweis durch eine Haaranalyse. Eine Begutachtung werde erst für Mitte Dezember 2020 empfohlen. Der ASt. teilte der AG daraufhin mit, dass er mit der Begutachtung einverstanden sei, es jedoch unmöglich sei, innerhalb von zwei Monaten das geforderte Gutachten vorzulegen.
[5] Die AG entzog ihm mit Bescheid v. 4.8.2020 die Fahrerlaubnis für alle erteilten Klassen, zog den Führerschein ein und verpflichtete ihn, den Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheides bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der Anordnungen an.
[6] Das VG [VG Dresden, Beschl. v. 5.11.2020 – 6 L 673/20] hat den von ihm erhobenen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung abgelehnt. Da er durch seine Trunkenheitsfahrt am 15.9.2019 die positive Prognose aus dem Gutachten vom 9.5.2012 widerlegt habe, sei die AG im Rahmen der Gefahrenabwehr verpflichtet gewesen, dem begründeten Verdacht einer weiter bestehenden Alkoholabhängigkeit beim ASt. auf der Grundlage des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. e FeV nachzugehen. Die frühere Alkoholabhängigkeit des ASt. sei 2011 und 2012 festgestellt worden. Die Frist zur Vorlage des Gutachtens sei ausreichend gewesen.
[7] Hiergegen wendet der ASt. in seiner Beschwerdebegründung u.a. ein, die Fahrerlaubnisentziehung könne rechtlich schon deshalb keinen Bestand haben, weil die AG vorliegend nicht nach § 11 Abs. 8 FeV von seiner fehlenden Kraftfahreignung hätte ausgehen dürfen. Sie habe seine fehlende Eignung zu Unrecht daraus hergeleitet, dass er der auf § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b FeV gestützten Anordnung v. 18.5.2020 zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist nachgekommen sei. Zwar lägen wiederholte Alkoholverstöße vor. Er sei der Aufforderung aber nachgekommen. Wenn ihm die Gutachtenstelle empfehle, vier Nachweise von Urinscreenings innerhalb von sechs Monaten beizubringen und eine Begutachtung erst für Mitte Dezember 2020 für sachgerecht halte, beruhe die nicht fristgerechte Vorlage des von ihm geforderten Fahreignungsgutachtens ausschließlich auf einer (Fehl-)Einschätzung des Gutachters. Dies könne ihm nicht als grundlose Verweigerung eigener Mitwirkungspflichten vorgeworfen werden mit der Folge, dass dem Schluss auf seine Nichteignung gem. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV die Grundlage entzogen sei (vgl. VG Saarland, Beschl. v. 26.4.2013 – 10 L 574/13 [zfs 2013, 53...