VVG § 81 Abs. 2, VHB 2019 A 4.3.1 10.4 13.1.1
Leitsatz
Wird ein Angehöriger eines Haushalts außerhalb des versicherten Anwesens um Wertgegenstände beraubt, so fällt das auch dann unter den Außenversicherungsschutz der Hausratsversicherung, wenn die Gewaltanwendung ihm gegenüber durch seine starke Alkoholisierung erleichtert worden ist.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Hannover, Urt. v. 12.1.2022 – 565 C 12365/20
Sachverhalt
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus einer Hausratversicherung. Am 31.5.2020 zwischen 00:45 Uhr und 02:40 Uhr zogen drei bis vier männliche Personen den stark alkoholisierten Sohn des Kl., den Zeugen M., in H. in einen Hauseingang. Im Zuge einer körperlichen Auseinandersetzung entwendeten sie ihm – was streitig ist – diverse Wertgegenstände. Der Kl. unterhält bei der Bekl. eine Hausratversicherung, der die VHB 2019 zugrunde liegen. Sie bietet Versicherungsschutz für Beraubungssachverhalte, welche den VN und seine Hausangehörigen betreffen.
Die Bekl. bestreitet mit Nichtwissen, dass der Zeuge M. die klägerseitig bezeichneten Sachen mit sich geführt habe und ihm gegenüber Gewalt angewendet wurde, um seinen Widerstand gegen die Wegnahme auszuschalten. Die Widerstandskraft des Zeugen M. sei aufgrund des – unstreitig – um 03:04 Uhr gemessenen Atemalkoholgehalts von 2,46 Promille vollständig ausgeschaltet gewesen.
Die Bekl. behauptet weiterhin, der Zeuge M. lebe nicht mit dem Kl. in häuslicher Gemeinschaft. Der Aufenthalt im Hause seiner Eltern am 31.5.2020 sei lediglich ein pandemiebedingter Besuch und bloß vorübergehend gewesen. Die Bekl. meint, es habe deshalb schon kein Versicherungsschutz bestanden. Jedenfalls aber sei kein Versicherungsfall eingetreten, da kein entschädigungspflichtiges Raubereignis, sondern lediglich ein einfacher Diebstahl vorläge und sich die versicherten Sachen überdies nicht am versicherten Ort befunden hätten. Die Bekl. ist der Ansicht, selbst wenn dem so wäre, gehöre der Austausch des Schließzylinders für das Kfz nicht zum Hausrat, zudem sei sie nach § 81 Abs. 2 VVG wegen grober Herbeiführung des Versicherungsfalls teilweise leistungsfrei und eine etwaige Versicherungsleistung um 75 % zu kürzen.
2 Aus den Gründen:
1. Die Klage ist auch überwiegend begründet.
a. Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Zahlung von 4.841,36 EUR aus A 4.3.1, A 13.1.1 VHB 2019 i.V.m. § 1 Abs. 1 VVG.
Zwischen den Parteien besteht ein Vertragsverhältnis über eine Hausratversicherung … Die klägerseitig vorgetragenen Positionen sind auch von dessen Versicherungsschutz umfasst.
aa. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Sachen zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls außerhalb des versicherten Orts befanden und bis auf die ausgetauschten Zylinder Eigentum des Zeugen M. sind. Nach A 10.4 VHB 2019 gehört auch fremdes Eigentum, das sich im Haushalt des VN befindet, zum Hausrat. Zudem sieht A 13.1 VHB 2019 vor, dass auch für nur vorübergehend außerhalb des Versicherungsorts befindliche Sachen mit dem VN in häuslicher Gemeinschaft lebender Personen weltweiter Versicherungsschutz gilt. Eine häusliche Gemeinschaft besteht bei einem nicht ganz vorübergehenden Verhältnis der Wohngemeinschaft, welches vor allem in einer einheitlichen Wirtschaftsführung zum Ausdruck kommt. Indiz hierfür ist die gemeinsame Nutzung von zumindest Teilen des Hausrats und der Räume (BGH, VersR 1986, 333).
Dass die Darstellung des Kl., wonach der Zeuge M. mit dem Kl. in häuslicher Gemeinschaft lebt, zutrifft, steht zur Überzeugung des Gerichts nach informatorischer Anhörung des Kl. fest. Zwar sind die Ausführungen des Kl. im Rahmen der persönlichen Anhörung gemäß § 141 ZPO als Streit- und nicht als Beweisstoff zu werten. Indes ist das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO gehalten, im Rahmen der Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme bei der Bildung seiner Überzeugung die Parteierklärung, auch wenn sie außerhalb einer förmlichen Parteivernehmung erfolgt, zu berücksichtigen (BGH, NJW 1982, 940, 941). Der Kl. hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung bekundet, dass der Zeuge M. seit seiner Geburt im elterlichen Haushalt lebe, mit Ausnahme von einem Jahr, in welchem er in der Südstadt H. gewohnt habe und dort gemeldet gewesen sei. Im Jahr 2015 sei der Zeuge M. wieder in das Haus seiner Eltern zurückgekehrt, wo er nun dauerhaft lebe. Dort befänden sich auch alle seine persönlichen Gegenstände einschließlich des Hausrats, den er in der Südstadt gehabt habe.
Zwischenzeitlich habe der Zeuge Urlaube bei seiner Freundin in Mexiko verbracht. Auch vor seiner Rückkehr im Dezember 2019 sei er 2 Monate in Mexiko gewesen und hätte einen erneuten Aufenthalt für März 2020 geplant, welcher pandemiebedingt ausfiel. Die Urlaube hätten allerdings nie länger als 2 Monate angedauert, es habe sich stets um Besuchsaufenthalte gehandelt. Die polizeiliche Aussage des Zeugen M., wonach er in der meisten Zeit in Mexiko mit seiner Freundin zusammengelebt habe, sei so zu verstehen, dass er...