Das OLG Köln hat seiner Entscheidung die Grundsätze der Rechtsprechung des BGH zur Erstattungsfähigkeit von Privatgutachtenkosten zugrunde gelegt. Die Besonderheit dieses Falles liegt darin, dass es um die Berechnung des Rückzahlungsbetrags aus einer Lebensversicherung nach einem von dem Versicherungsnehmer erklärten Widerruf gem. § 5a VVG i.d.F.v. 2.12.2004 ging. Die Berechnung des Abrechnungssaldos aus einem so widerrufenen Versicherungsvertrag, insbesondere aus einem Lebensversicherungsvertrag, ist einem "normalen" Versicherungsnehmer ohne besondere Fachkenntnisse nicht möglich, weil dabei auch Positionen wie Risiko-, Abschluss- und Verwaltungskosten zu berücksichtigen sind, über deren Höhe der Versicherungsnehmer keine Kenntnisse haben kann. Erteilt die auf Rückzahlung in Anspruch genommene Versicherung dem Versicherungsnehmer die Höhe dieser Kostenpositionen vorgerichtlich nicht mit, kann deren Höhe im Regelfall nur mithilfe eines versicherungsmathematischen Gutachtens ermittelt werden. Die Berechnungen des vom Kläger beauftragten Privatgutachters waren offensichtlich so gut, dass sich die Parteien in dem Vergleich auf fast genau den Rückzahlungsbetrag geeinigt haben, den der Privatgutachter ermittelt hatte.
Damit Privatgutachtenkosten als notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO anerkannt werden können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein.
Prozessbezogenheit
Eine Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachtenkosten ist es zunächst einmal, dass sie prozessbezogen sind. Die Partei muss sie deshalb im Hinblick auf einen sich konkret abzeichnenden Rechtsstreit aufgewandt haben. Folglich ist ein Privatgutachten schon dann prozessbezogen, wenn der künftige Kläger das Gutachten zur Darlegung und/oder zur Berechnung der Klageforderung eingeholt hat. Hier hatte der Kläger das Privatgutachten sogar erst während des Rechtsstreits eingeholt. Wie der Kläger seine Klageforderung beziffern konnte, bevor ihm sein Privatgutachten vorlag, erörtert das OLG Köln leider nicht. Aus den Beschlussgründen ergibt sich auch nicht, ob der Kläger seine Klage hinsichtlich des verlangten Rückzahlungsbetrages geändert hatte, nachdem ihm das Privatgutachten vorlag. Allerdings spielt dies für die Frage der Prozessbezogenheit keine Rolle, sondern allenfalls für die Notwendigkeit.
Notwendigkeit
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist die Hinzuziehung eines Privatgutachters notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO, wenn die betreffende Partei ohne die Einholung des Privatgutachtens infolge fehlender Sachkenntnis zu einem sachgerechten Vortrag nicht in der Lage wäre oder ein ihr nachteiliges gerichtliches Sachverständigengutachten nicht erschüttern könnte (BGH zfs 2012, 285 mit Anm. Hansens = RVGreport 2012, 229 (Hansens); dem folgend das OLG Köln hier). Dies beurteilt sich unabhängig von der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in dem Rechtsstreit (BGH zfs 2019, 285 mit Anm. Hansens = AGS 2018, 579 = RVGreport 2018, 466 [ders.]). Für die Erstattungsfähigkeit der Privatgutachtenkosten kommt es auch nicht darauf an, ob das Privatgutachten die Entscheidung des Gerichts positiv beeinflusst hat (BGH zfs 2019, 285 mit Anm. Hansens = AGS 2018, 579 = RVGreport 2018, 466 [ders.]).
Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, kann grundsätzlich von der Erstattungsfähigkeit der Privatgutachtenkosten ausgegangen werden.
Höhe der Privatgutachtenkosten
Hinsichtlich der Höhe seiner Vergütung ist der Privatgutachter nicht an die Sätze des JVEG, das nur für gerichtlich bestellte Sachverständige Anwendung findet, gebunden (BGH RVGreport 2007, 279 [Hansens] = JurBüro 2007, 317). Der Privatgutachter muss seine Vergütung allerdings nachvollziehbar nach dem aufgewandten Zeitaufwand und den Auslagen aufgeschlüsselt abrechnen. Deshalb muss seine Rechnung die aufgewandten Stunden und den berechneten Stundensatz enthalten. Hält sich der Stundensatz im üblichen Rahmen, ist die Vergütung des Privatgutachters auch der Höhe nach nicht zu beanstanden, wenn der Stundensatz für gerichtlich bestellte Sachverständige überschritten wird (OLG Hamm Rpfleger 2011, 616).
Im Fall des OLG Köln waren die vorstehend aufgeführten Voraussetzungen für die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Privatgutachtenkosten nach Auffassung des Senats erfüllt. Ob auch die Höhe der Privatgutachterkosten umstritten war, lässt sich den Beschlussgründen nicht entnehmen. Jedenfalls hat sich das OLG Köln zur Höhe der von dem Sachverständigen Prof. Dr. S. berechneten Vergütung nicht geäußert.
Dem Rechtsanwalt der erstattungspflichtigen Partei, die sich gegen die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachtenkosten wendet, sei allerdings empfohlen, in seiner Stellungnahme zu dem gegnerischen Kostenfestsetzungs- bzw. -ausgleichungsgesuch entsprechende Einwendungen auch gegen die Höhe der geltend gemachten Privatgutachtenkosten vorzubringen.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
zfs 7/2022, S. 407 - 409