Die sofortige Beschwerde hat Erfolg; die Nebenintervention ist zuzulassen.

Nach § 66 Abs. 1 ZPO kann, wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, dieser Partei zum Zweck ihrer Unterstützung beitreten. Ein rechtliches Interesse ist zu bejahen, wenn die Entscheidung des Hauptprozesses durch Inhalt oder Vollstreckung mittelbar oder unmittelbar auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Nebenintervenienten rechtlich einwirkt (BGH NJW 2016, 1018). Der Sieg der zu unterstützenden Partei muss dem Nebenintervenienten einen Vorteil bringen; dass das Unterliegen der Hauptpartei dem Nebenintervenienten nicht – spiegelbildlich – nachteilig ist, steht der Annahme eines rechtlichen Interesses nicht entgegen (Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., Rn 5 zu § 66 ZPO). Eine "freundliche Gesinnung" im Bezug auf die Hauptpartei ist entgegen der Auffassung des LG weder erforderlich noch zur Begründung eines rechtlichen Interesses ausreichend.

Der Dritte kann auch am Obsiegen jeder der beiden Parteien ein Interesse haben, wenn nämlich in Bezug auf beide Parteien die Voraussetzungen des § 66 ZPO vorliegen; in diesem Falle hat er ein Wahlrecht, welcher Partei er beitritt (MüKo ZPO, 6. Aufl. Rn 19 zu § 66 ZPO), auf dessen Ausübung die Streitverkündung eine Partei ohne Einfluss ist (RGZ 130, 297); die Nebenintervenientin war also durch die Streitverkündung seitens des Bekl. nicht gehindert, den Beitritt auf Seiten der Gegenpartei zu erklären, abgesehen davon, dass sie diesen Beitritt bereits zuvor erklärt hatte. Im Streitfall waren die Voraussetzungen eines Beitritts sowohl auf Seiten des Bekl. wie auf Seiten des Kl. gegeben.

Ein Obsiegen des Bekl. im Haftungsprozess, weil die Voraussetzungen einer Haftung nicht vorlägen, hätte aufgrund der Bindungswirkung der Feststellungen im Haftungsprozess für den Deckungsprozess eine der Nebenintervenientin günstige Auswirkung. Umgekehrt wäre die Bejahung der Schadensersatzpflicht des Bekl. im Haftungsprozess für die Nebenintervenientin nachteilig, weil sie die Haftung ihres VN im Deckungsprozess aufgrund der Bindungswirkung nicht mehr in Frage stellen könnte. Daher wird ein rechtliches Interesse am Ausgang des Haftpflichtprozesses, das den Haftpflichtversicherer zum Streitbeitritt – auf Seiten des VN – berechtigt, allgemein bejaht (siehe etwa OLG Hamm ZIP 2020, 1371). Gilt dies bereits für den Privathaftpflichtversicherer, so erst recht für den Kfz-Haftpflichtversicherer, denn für diesen sieht § 124 Abs. 1 VVG eine Rechtskrafterstreckung für den Fall eines klageabweisenden Urteils im Haftungsprozess vor. Im Streitfall ergäbe sich ein rechtliches Interesse am Beitritt auf Seiten des Bekl. auch aus der durch die Streitverkündung seitens des Bekl. ausgelösten Interventionswirkung (OLG Frankfurt VersR 2016, 1010).

Ein Haftpflichtversicherer kann aber auch ein rechtliches Interesse am Obsiegen des Gegners seines VN haben. Nach § 103 VVG ist er nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der VN vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat. Behauptet der Geschädigte im Haftungsprozess ein solches vorsätzliches Verhalten des Schädigers und trifft das Gericht eine dementsprechende Feststellung, obsiegt der Kl. somit mit dieser Behauptung, so hat die entsprechende Feststellung – sofern es nicht um eine sogenannte überschießende Feststellung handelt – Bindungswirkung für den Deckungsprozess; in diesem könnte die Leistungsfreiheit des VR nicht mehr in Frage gestellt werden (BGHZ 117, 345; siehe auch BGHZ 119, 276 für den umgekehrten Fall).

Dieser Fall ist hier gegeben; der Kl. behauptet, der Bekl. habe ihn vorsätzlich angefahren und dadurch den Unfall verursacht. Es fehlt auch nicht an der sog. Voraussetzungsidentität. Feststellungen im vorangegangenen Haftpflichtprozess zwischen dem Geschädigten und dem VN (oder dem VN) haben im nachfolgenden Deckungsprozess zwischen dem VN und dem Haftpflichtversicherer nur insoweit Bindungswirkung, als Voraussetzungsidentität vorliegt (BGH NJW-RR 2004, 676). Das ist hier der Fall, weil die Feststellung vorsätzlichen Handelns des Bekl. – oder die gegenteilige Feststellung – sowohl für die Haftungsfrage, nämlich für die Höhe des Schmerzensgeldes, maßgeblich ist als auch für das Vorliegen des Deckungsausschlusses nach § 103 VVG (BGHZ 119, 276). Darauf, dass die Nebenintervenientin, da ein Fall der Pflichtversicherung vorliegt, nicht nur im Innenverhältnis leistungsfrei ist, worauf sie – zutreffend – hinweist, kommt es für das rechtliche Interesse nicht an.

Der Streitfall weist allerdings die Besonderheit auf, dass nicht jegliches Obsiegen des Kl. der Nebenintervenientin zum Vorteil gereichte, sondern nur ein vollständiges Obsiegen im Sinne der Bejahung auch des vorsätzlichen Handelns des Bekl.. Wird dem Kl. Schadensersatz und Schmerzensgeld nur aus Gefährdungshaftung oder wegen lediglich fahrlässiger Körperverletzung zugesprochen und ...

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