StVO § 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 9 S. 3; StrWG SH § 8; VwGO § 146 Abs. 4 S. 6 § 80 Abs. 5
Leitsatz
Zu den nach § 45 StVO geschützten Rechtsgütern zählen die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs; hierzu gehört auch die Leichtigkeit des Verkehrs, zu deren Schutz der § 45 Abs. 1 S. 1 StVO gemäß seiner Ermächtigungsgrundlage (§ 6 Abs. 1 StVG) gestattet, Verkehrsbeschränkungen anzuordnen.
OVG für das Land Schleswig-Holstein, Beschl. v. 30.3.2022 – 5 MB 4/22
Sachverhalt
Der Antrag mehrerer geschäftsansässiger Verkehrsteilnehmer gegen die Beschränkung des Verkehrs auf Radfahrer, Anlieger und den Linienverkehr in der zentral gelegenen Rathausstraße in Flensburg bleibt ohne Erfolg. Dies hat das OVG für das Land Schleswig-Holstein auf die Beschwerde der Stadt Flensburg hin beschlossen und den anderslautenden Beschl. des Schleswig-Holsteinischen VG v. 10.1.2022 – 3 B 111/20 – geändert. Anders als das VG hält der Senat die auf der Grundlage eines Verkehrsgutachtens im Oktober 2021 angeordnete Verkehrsbeschränkung für rechtmäßig.
2 Aus den Gründen:
Zitat
… II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Nach Maßgabe der dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO) sind der Antrag zu 1. (nachfolgend 1.) und der Antrag zu 2. (nachfolgend 2.) aus der Antragsschrift vom 28.10.2021 zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag zu 1. ist zulässig (a.), aber unbegründet (b.).
a) Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Der Widerspruch der Antragsteller gegen die Verkehrsrechtliche Anordnung vom 21.10.2021 hat in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.11.1977 – VII B 135.77 –, juris Rn 4).
Die Beschränkung des Widerspruchs und demzufolge auch des Eilantrages auf die Maßnahmen der Verkehrsrechtlichen Anordnung vom 21.10.2021, welche die Beschränkung der Rathausstraße betreffen, ist zulässig. Ob der von den Antragstellern angegriffene Bestandteil der Verkehrsrechtlichen Anordnung vom 21.10.2021 isoliert aufgehoben werden kann, die Anordnung also ohne diesen Teil sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des mit dem Anfechtungswiderspruch verfolgten Aufhebungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.1.1989 – 7 C 31.87 –, juris Rn 9). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.
Die Antragsteller sind analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Zur Bejahung der Klagebefugnis reicht es aus, dass ein Verkehrsteilnehmer Adressat eines belastenden Verwaltungsakts in Form eines verkehrsbehördlich angeordneten Ge- oder Verbots geworden ist; das Erfordernis nachhaltiger bzw. regelmäßiger Betroffenheit lässt sich § 42 Abs. 2 VwGO nicht entnehmen (BVerwG, Urt. v. 21.8.2003 – 3 C 15.03 –, juris Rn 13). Die Antragsteller, die im … geschäftsansässig sind, sind Adressaten der Beschränkung der Nutzung der … auf den Anlieger-/Linien- und Radverkehr. Die Antragsteller machen geltend, sie müssten aufgrund der Beschränkung längere Wege zu und von ihren angemieteten Stellplätzen in einem Parkhaus in der Straße … zurücklegen.
Die Antragsbefugnis der Antragsteller entfällt nicht deshalb, weil die Benutzung der … für den Anliegerverkehr frei bleibt. Vom Anliegerbegriff werden diejenigen Verkehrsteilnehmer erfasst, die Eigentümer oder Nutzungsberechtigte eines Grundstücks sind, welches an der Straße “anliegt'. Darüber hinaus ist auch der Verkehr mit Anliegern geschützt; zu einem Verkehr mit einem Anlieger sind alle Personen berechtigt, die zu ihm Beziehungen irgendwelcher Art unterhalten oder anknüpfen wollen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.2.2000 – 3 C 14.99 –, juris Rn 21).
Die Antragsteller sind nicht Anlieger der … . Das Ziel bzw. der Ausgangspunkt ihrer Fahrten durch die … liegen in der Straße … , die von der Verkehrsbeschränkung ausgenommen ist.
b) Der Antrag ist unbegründet.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs hat zu erfolgen, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das Aussetzungsinteresse der Antragsteller das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt. Im Rahmen dieser Abwägung finden vor allem die Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei einer summarischen Prüfung Berücksichtigung. Ist der angegriffene Bescheid offensichtlich rechtswidrig, überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse, ist er hingegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in der Regel das Vollziehungsinteresse. Lässt sich bei der Prüfung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides feststellen, bedarf es zur Entscheidung einer weiteren Interessenabwägung. Diese Abwägung zwischen Aussetzungs- und Vollziehungsinteresse erfordert eine Gegenüberstellung der Folgen, die eintreten, wenn die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagt würde, das Verfahren in der Hauptsache hingegen Erfolg hätte. Diese Auswirkungen sind zu vergleichen mit den Nachteilen, die entstünden, wenn die aufschiebende Wirkung angeordnet würd...