BGB § 307; VVG § 28 § 81; VHB § 3 Nr. 2 f
Leitsatz
1. Die sog. erweiterte Schlüsselklausel in der Einbruchdiebstahlversicherung, wonach ein Einbruchdiebstahl auch dann vorliegt, wenn der Täter "in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat", stellt eine primäre Risikobeschreibung dar und keine sog. verhüllte Obliegenheit.
2. Die Klausel hält der Wirksamkeitskontrolle gemäß § 307 BGB stand, insbesondere weicht sie nicht von den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§§ 28, 81 VVG) ab und genügt dem Transparenzgebot.
3. Bei der fehlenden Fahrlässigkeit des (berechtigten) Schlüsselbesitzers handelt es sich um eine Voraussetzung für das Bestehen des Versicherungsschutzes, deren Vorliegen der VN beweisen muss.
KG, Urt. v. 29.3.2022 – 6 U 125/19
Sachverhalt
Der Kl. ist selbstständiger Getränkefachhändler in Berlin und beliefert Gaststätten, Kneipen, Bars und Restaurants mit Getränken aller Art. Er unterhält bei der Bekl. eine Hausratversicherung.
Dem Vertrag liegen unter anderem die GWW 2014 zugrunde.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen in diesen Versicherungsbestimmungen lauten:
a) Einbruchdiebstahl liegt vor, wenn der Täter …
"in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat; …"
Der Kl. hat behauptet, ihm sei am 17.8.2017 während der Belieferung einer Gaststätte aus seinem verschlossenen Lieferfahrzeug seine Aktentasche entwendet worden, in der sich unter anderem Rechnungen mit seiner Wohnanschrift sowie sein Schlüsselbund mit dem daran befindlichen Wohnungs- und Tresorschlüssel befunden habe, mit denen nur kurze Zeit später seine Wohnung betreten und der im Flur befindliche Tresor geöffnet und diverse Wertgegenstände (u.a. Laptop, Handy, Handtasche, Jacken, Goldmünzen, Uhren, Schmuck) im Wert von insgesamt 37.413,25 EUR sowie Bargeld in Höhe von 27.000,00 EUR (insgesamt also 64.413,25 EUR) entwendet worden seien.
2 Aus den Gründen:
Zu Recht hat das LG das Vorliegen eines Versicherungsfalls gemäß § 28 Nr. 4a) 4. Spiegelstrich GWW 2014 verneint. Danach liegt ein Einbruchdiebstahl vor, "wenn der Täter in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat".
1. Die Tatsachenfeststellung des LG, wonach der Kl. den Beweis nicht hat führen können, dass er das Fahrzeug, in dem sich seine Aktentasche mit seinem Wohnungsschlüssel befand, tatsächlich ordnungsgemäß verschlossen hatte, ist nicht zu beanstanden …
2. Entgegen der Auffassung des Kl. stellt auch das Belassen des Wohnungsschlüssels in einer geschlossenen, aber von außen sichtbaren Aktentasche auf dem Sitz eines Fahrzeugs ein fahrlässiges Verhalten im Sinne des § 28 Nr. 4a) 4. Spiegelstrich GWW 2014 dar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Fahrzeug unverschlossen ist.
Zwar trifft es zu, dass sich die Fahrlässigkeit des VN nach der streitgegenständlichen Vertragsbedingung nur auf das Ansichbringen des später zum unbefugten Eindringen in die Wohnung verwendeten Schlüssels beziehen muss und nicht auf das Ansichbringen der – hier allein von außen sichtbaren – Tasche und/oder auf das anschließende Eindringen des Täters in die Wohnung. Insofern darf es zur Begründung des Fahrlässigkeitsvorwurfs auch keine Rolle spielen, ob sich bei den Schlüsseln in der Aktentasche Papiere mit der Wohnanschrift des Kl. befanden (vgl. Jula in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 3 Einbruchdiebstahl, Rn 41; anders aber u.a. LG Köln, VersR 1987, 87; LG Hamburg VersR 1990, 1395; LG Berlin, VersR 1988, 346).
Trotzdem kann es den Kl. im vorliegenden Fall nicht entlasten, dass er den Schlüssel in einer geschlossenen Tasche und damit von außen nicht sichtbar verwahrt hat. Denn er hat zwar nicht den Schlüssel selbst, wohl aber die Aktentasche, in der sich der Schlüssel befand, von außen gut sichtbar auf dem Sitz gelassen. Ein fahrlässiges Verhalten des berechtigten Schlüsselbesitzers ist anzunehmen, wenn er in vermeidbarer Weise die voraussehbare Gefahr einer Entwendung des Schlüssels begründet. Eine von außen sichtbare Aktentasche birgt aber gerade die erhebliche Gefahr, dass ein potentieller Dieb die Tasche in der Hoffnung auf darin befindliche Wertgegenstände entwendet, auch wenn der konkrete Inhalt von außen nicht erkennbar ist (vgl. auch LG Münster, VersR 1988, 153).
Die Verwirklichung dieser – ohnehin allgemein bekannten – Gefahr hatte der Kl. zudem kurz zuvor am eigenen Leib erlebt, als ihm zwei Monate zuvor seine Aktentasche aus dem – nach seinem Vortrag ebenfalls verschlossenen – Fahrzeug entwendet worden war.
3. Mit dem LG hält der Senat die streitgegenständliche Klausel in § 28 Nr. 4a) 4. Spiegelstrich GWW 2014 zudem für zulässig bzw. wirksam.
a. In Rspr. und Literatur wird die Wirksamkeit der sogenannten "erweiterten Schlüsselklausel", wie sie auch dem hiesigen Rechtsstreit zugrun...