ZPO § 33 § 256; VVG § 86 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Zur Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage, die der vom Rechtsschutzversicherer aus gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergegangenem Recht in Anspruch genommene Rechtsanwalt im Wege der isolierten Drittwiderklage gegen den Versicherungsnehmer erhebt.
2. Der von einem Rechtsschutzversicherer aufgrund eines Anspruchsübergangs wegen angeblichen anwaltlichen Fehlverhaltens in Anspruch genommene Rechtsanwalt hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dem Versicherungsnehmer stehe kein Anspruch gegen ihn zu.
(Leitsatz 2 der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 27.4.2022 – IV ZR 344/20
Sachverhalt
Im Streit steht eine auf die Feststellung des Nichtbestehens von Ansprüchen gerichtete isolierte Drittwiderklage. Der Drittwiderbeklagte hält eine Rechtsschutzversicherung bei der Kl. Diese hat die beklagte Rechtsanwältin des Drittwiderbeklagten aus gemäß § 86 VVG übergegangenem Recht wegen anwaltlicher Pflichtverletzung in Anspruch genommen. Die Beklagte hat Widerklage gegen den Drittwiderbeklagten auf Feststellung erhoben, dass diesem keine Ansprüche gegen sie zustehen. Das AG hat die Klage als unbegründet mangels Pflichtverletzung der Bekl. und die Drittwiderklage als unzulässig mangels Feststellungsinteresses abgewiesen. Dagegen hat (nur) die Bekl. Berufung eingelegt. Das LG hat die Berufung zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BG …
II.1 Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass § 33 ZPO der Zulässigkeit der Drittwiderklage nicht entgegensteht.
a) Zwar setzt eine Widerklage nach § 33 Abs. 1 ZPO eine anhängige Klage voraus; der Widerkläger muss ein Beklagter und der Widerbeklagte muss ein Kläger sein. Daher ist eine Widerklage gegen einen bisher am Prozess nicht beteiligten Dritten grundsätzlich nun dann zulässig, wenn sie zugleich gegenüber dem Kläger erhoben wird. Eine Drittwiderklage, die sich ausschließlich gegen einen am Prozess bislang nicht beteiligten Dritten richtet (isolierte Drittwiderklage), ist regelmäßig unzulässig, BGHZ 228, 1 Rn 25; VersR 2019, 962 Rn 18.
Der BGH hat aber unter Berücksichtigung des prozessökonomischen Zwecks der Widerklage, eine Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen über einen einheitlichen Lebenssachverhalt zu vermeiden und eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung über zusammengehörende Ansprüche zu ermöglichen, Ausnahmen von dem Grundsatz zugelassen, dass eine Widerklage auch gegen den Kläger erhoben worden sein muss, und zwar unter anderem für die isolierte Drittwiderklage gegen den Zedenten der Klageforderung (vgl. BGH Z 228,1; VersR 2019, 962, BGHZ 147, 220 unter II 1.) Ausschlaggebend für die Zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage ist danach eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht enge Verknüpfung der Streitgegenstände von Klage und Drittwiederklage sowie eine fehlende Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Drittwiderbeklagten (BGHZ, 228,1 …).
b) Ebenso liegt es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung, wenn – wie im Streitfall – auf die Klage eines Versicherers aus einem gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergegangenen Ersatzanspruch der Bekl. im Wege der isolierten Drittwiderklage die Feststellung begehrt, dass dem VN Ersatzansprüche nicht zustehen. Die Gegenstände von Klage und Widerklage hängen tatsächlich und rechtlich eng miteinander zusammen. Da der Klage und der Drittwiderklage inhaltlich identische Ansprüche zugrunde liegen, folgt der Erfolg oder das Scheitern der Drittwiderklage grundsätzlich der Entscheidung über die Klageforderung (vgl. BGH NJW 2019, 1610 m. Anm; Althammer, NJW 2019, 1613). Schutzwürdige Interessen des Drittwiderbeklagten werden durch die Einbeziehung der Widerklage in den anhängigen Rechtsstreit nicht verletzt. Die Aufspaltung in zwei Prozesse brächte prozessökonomisch keine Vorteile, sondern Mehrbelastungen und das Risiko einander widersprechender Entscheidungen (…).
2. Zu Unrecht hat das BG jedoch ein rechtliches Interesse der Beklagten an der beantragten richterlichen Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO) mit der Begründung verneint, aus Sicht des in Anspruch genommenen Schuldners könne es vorliegend und auch generell keinen Zweifel an der Wirksamkeit des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 86 Abs. 1 VVG geben.
Das Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO setzt grundsätzlich voraus, dass dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (st. Rspr.; BGH, NJW 2019, 1002 Rn 12; NJW-RR 2017, 1317 Rn 16 m.w.N.). Das kann hier nicht mit der vorgenannten Begründung verneint werden.
a) Der BGH hat das Feststellungsinteresse für die isolierte Drittwiderklage gegen den Zedenten der Klageforderung bejaht, mit der das Nichtbestehen der mit der Klage verfolgten Ansprüche mit Rechtskraft auch gegenüber dem Zedenten...