Gegen den Betroffenen erging zum Vorwurf einer Geschwindigkeitsübertretung vom 10.11.2021 der im Tenor näher bestimmte Bußgeldbescheid, welcher ihm am 25.2.2022 zugestellt wurde. Mit Telefax vom 1.3.2022 legte seine Verteidigerin gegenüber dem Polizeipräsidenten in Berlin Einspruch ein.
Dieser Rechtsbehelf ist mangels Wahrung der gesetzlichen Formvorschriften unwirksam und unzulässig.
Nach §§ 67, 110c Ordnungswidrigkeitengesetz i.V.m. § 32d Strafprozessordnung ist ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid ausschließlich als signiertes elektronisches Dokument über das BeA – Besondere Anwaltspostfach – und das beBPo – das besondere elektronische Behördenpostfach – zu übermitteln. Eine Übermittlung in Papierform oder als Telefax ist unzulässig.
Nur die Übertragung eines elektronischen Dokuments in eine elektronische Poststelle mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes kann die Formvorschriften für einen Einspruch und dessen Begründung im Bußgeldverfahren erfüllen. Ein Telefax erfüllt die Kriterien für eine elektronische Datenkommunikation, die gesetzlich definiert ist, nicht.
§ 32d StPO normiert eine Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument für bestimmte Verfahrenshandlungen. Durch die entsprechende Anwendung aus § 110c und unter Berücksichtigung des § 110a Abs. 4 muss § 32d StPO im Bußgeldverfahren um den Einspruch und die Einspruchsbegründung, die Rechtsbeschwerde und die Rechtsbeschwerdebegründung ergänzt werden (vgl. Krenberger/Krumm, 6. Aufl. 2020, OWiG § 110c Rn 13 bei beck online).
Werden die zwingenden Erklärungen in § 32d StPO Satz 2 nicht in elektronischer Form eingereicht, ist die jeweilige Erklärung mangels Wahrung der Form unwirksam (BeckOK StPO/Valerius, 41. Ed. 1.10.2021, StPO § 32d Rn 4; Gassner/Seith, Ordnungswidrigkeitengesetz, OWiG § 110c Rn 25, beck-online; Krenberger/Krumm, a.a.O.).
Soweit das AG Hameln (Beschl. v. 14.2.2022 – 49 OWi 23/22, BeckRS 2022, 2579 beck online) die Ansicht vertritt, der Einspruch und die Einspruchsbegründung gegen einen Bußgeldbescheid seien nicht von der neuen Formerfordernis erfasst, eine zwingende Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs bestehe insoweit nicht, und eine Analogie zum Strafbefehlsverfahren zu begründen sucht, kann der Rechtsauffassung nicht beigetreten werden. Der Gesetzeswortlaut und der Gesetzeszweck lassen diese Auslegung nicht zu.
Der Gesetzgeber hat den Einspruch im Bußgeldverfahren schon deshalb als Anwendungsfall der zwingenden Formvorschrift gesehen, weil er explizit von diesem Formzwang eine Ausnahme formulierte, konkret zu § 335 HGB. In § 335 Abs. 2a HGB in seiner Neufassung ist niedergelegt, dass auf die elektronische Kommunikation mit dem Bundesamt § 110c Satz 1 OWiG entsprechend anzuwenden ist, jedoch nicht in Verbindung mit § 32d der Strafprozessordnung. Eine Ausnahme des Gesetzgebers von der Anwendung einer Formvorschrift ist nur dann erforderlich, wenn es jene Formvorgabe tatsächlich gibt.
Die Gesetzbegründung nimmt auf diese Anwendungspflicht Bezug. In der Drucksache 18/9416 vom 17.8.2016 – Seite 36 – ist niedergelegt, dass durch die Vorschriften des neuen Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Straf- und Bußgeldsachen zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden verpflichtet werden – sofern es keine Ausnahmeregelung in bestimmten Fällen gibt (wie zuvor in Bezug auf § 335 HGB aufgezeigt). Zu diesen Strafverfolgungsbehörden gehören auch die Behörden des Polizeidienstes, soweit diese Aufgaben im Bußgeldverfahren wahrnehmen.
Die Verteidigerin des Betroffenen ist die Formverletzung bekannt. Sie wurde durch Beschluss des AG Tiergarten vom 15.2.2022 zum Vorgang (319 OWi) 3032 Js-OWi 1436/22 (139/22) ausdrücklich darauf hingewiesen, zugestellt am 21.2.2022. Wegen dieser ihrer Säumnis der Formvorgaben musste ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 28.2.2022 gestellt werden, dennoch handelte sie vorliegend am 1.3.2022 erneut und damit bewusst entgegen den Formvorschriften.
Dem Gericht obliegt die Verwerfungskompetenz nach § 70 OWiG.
Die Kostenpflicht beruht auf dem im Bußgeldbescheid enthaltenen Kostenausspruch.
zfs 7/2022, S. 412 - 413