VVG § 28; BGB § 166
Leitsatz
Hat ein für den VN tätiger Versicherungsmakler im Rahmen der Regulierung eines Gebäudeschadens dem VR gegenüber den Eindruck erweckt, Instandsetzungsarbeiten seien bereits erfolgt und Rechnungen lägen insoweit vor, und hat er diese fehlerhafte Information später nicht korrigiert, ist der VR wegen einer arglistigen Obliegenheitsverletzung leistungsfrei. (Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Frankfurt, Urt. v. 7.12.2022 – 3 U 205/22
1 Aus den Gründen:
Denn entgegen der Feststellung des LG ist die Bekl. nach § 28 Abs. 2 VVG bzw. Abschnitt B § 8 Ziffer 3 VGB wegen einer arglistigen Obliegenheitsverletzung des als Versicherungsmakler tätigen Zeugen C leistungsfrei geworden, ohne dass dem Kl. der Kausalitätsgegenbeweis offensteht (§ 28 Abs. 3 S. 2 VVG).
aa) Nach Abschnitt B § 8 Ziffer 2.a) hh) der dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zugrundeliegenden VGB traf den Kl. die Obliegenheit unverzüglich jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Umfangs der Leistungspflicht der Bekl. erforderlich ist. Für den Fall der vorsätzlichen Verletzung dieser Obliegenheit ist nach Abschnitt B § 8 Ziffer 3 VGB eine Leistungsfreiheit vereinbart. Zu dieser Obliegenheit gehört offensichtlich auch die Vorlage von Belegen über erfolgte Reparaturen, da diese Einfluss auf den Umfang der Leistungspflicht haben.
bb) Diese Obliegenheit hat der Zeuge C und Nebenintervenient, dessen Verhalten dem Kl. nach § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist (vgl. BGH VersR 2008, 809; BGHZ 200, 286), da der Zeuge C im Rahmen der Schadensabwicklung als Versicherungsmakler im Auftrag des Kl. handelte, zumindest dadurch verletzt, indem er es unterließ, seine vorherigen falschen Angaben gegenüber der Bekl. richtigzustellen und damit deren darauf basierenden Irrtum, dass die Reparaturen durchgeführt seien, aufrechterhielt. Unstreitig hat der Zeuge C gegenüber der Bekl. mit der E-Mail vom 5.8.2020 objektiv falsche Angaben dahingehend gemacht, dass Rechnungen über erbrachte Leistungen vorlägen, die vom Kl. schon bezahlt seien. Entgegen der Feststellung des LG lagen in dieser Erklärung auch keine Widersprüche, da die der E-Mail beigefügten Anlagen, die in der E-Mail als Rechnungen bezeichnet wurden, nicht steuerordnungsgemäß ausgestellt worden seien. Diese erwecken nach der Überzeugung des Senats den Eindruck, dass die Leistungen erbracht worden sind. Dass ein Ausführungsdatum ebenso wenig genannt wurde wie eine Rechnungsnummer steht nach dem Gesamteindruck der als Rechnung bezeichneten Anlagen nicht entgegen, zumal diese vor orthographischen Fehlern strotzen und damit kein Beleg dafür sind, dass es sich nicht um echte Rechnungen handelt. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Bekl. in einem anderen Schadensfall die nunmehr als Anlage vorgelegte Rechnung erhalten hat, die ein Ausstellungsdatum und eine Rechnungsnummer enthält. Obwohl der Zeuge C mit einer WhatsApp-Nachricht der Ehefrau des Kl. vom 19.8.2020 auf diesen Fehler aufmerksam gemacht wurde, hat er eine zeitnahe Richtigstellung gegenüber der Bekl. unterlassen und damit den Irrtum der Bekl. aufrechterhalten. Dass die Bekl. von einer Ausführung der Arbeiten ausging, zeigt sich schon daran, dass sie unstreitig einen Sachverständigen mit der Kontrolle der Durchführung der Arbeiten beauftragt hat.
cc) Der Zeuge C handelte auch arglistig.
(1) In subjektiver Hinsicht ist für eine arglistige Täuschung nicht erforderlich, dass der VN sich bereichern will und Tatsachen vortäuscht, die zu einer höheren als der geschuldeten Entschädigung führen würden, oder Tatsachen verschweigt, die eine niedrigere Entschädigung zur Folge hätten. Ausreichend ist die Verfolgung eines gegen die Interessen des VR gerichteten Zwecks – sei es die Beschleunigung der Schadenregulierung oder das Ausräumen von Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche – verbunden mit dem Wissen, dass durch dieses Fehlverhalten die Schadenregulierung des VR möglicherweise beeinflusst werden kann (st. Rspr. BGH VersR 1986, 77;1991, 1129; OLG Hamm r + s 2002, 423).
Nach ständiger höchst- und obergerichtlicher Rspr liegt eine arglistige Täuschung schon vor, wenn der VN wissentlich falsche Angaben über Tatsachen macht oder wissentlich Tatsachen verschweigt in der Absicht, den VR zu täuschen, und wenn der VN erwartet oder zumindest billigend in Kauf nimmt, auf die Entscheidung des VR zum eigenen Vorteil einzuwirken. Eine zur Leistungsfreiheit des VR führende arglistige Täuschung ist nicht nur dann anzunehmen, wenn der VN einen Vermögensvorteil erstrebt, auf den er keinen Anspruch hat; es genügt, dass er nur die Schadensregulierung beschleunigen, einen Verdacht von sich abwenden oder Schwierigkeiten bei der Feststellung seiner berechtigten oder für berechtigt gehaltenen Ansprüche vermeiden will. Er darf befürchteten Beweisschwierigkeiten oder Verzögerungen der Regulierung nicht durch Täuschungen entgegenwirken oder durch Täuschung auf die Entschließung des VR über die Auszahlung der Entschädigung Einfluss nehmen (vgl. nur OLG Hamm RuS ...