VVG § 125; ARB 2006 § 17 Abs. 2
Leitsatz
Der zwei bis drei Wochen betragende Zeitraum zur unverzüglichen Entscheidung über die Erteilung einer Deckungszusage wird weder durch Nachfragen verlängert, derer es nicht bedarf, noch durch Unklarheiten über die Beauftragung eines bestimmten Rechtsanwalts. (Leitsatz der Schriftleitung)
LG Krefeld, Urt. v. 2.2.2023 – 2 O 48/22
1 Sachverhalt
Der Kl. ist bei der Bekl. rechtsschutzversichert. Er begehrt eine Deckungszusage für eine Klage gegen die A. AG, Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag liegen die "ARB" 2006 der Bekl. zu Grunde. Am 13.9.2016 erwarb der Kl. ein Fahrzeug der Marke A. In diesem Fahrzeug ist ein 3,0 TDI Motor verbaut und es weist die Abgasnorm EURO 5 auf. Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde im Rahmen einer freiwilligen Rückrufaktion von der A. AG zurückgerufen.
Der Kl. geht davon aus, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit mehreren unzulässigen Abschalteinrichtungen i.S.v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 versehen ist.
Der Kl. geht davon aus, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit mehreren unzulässigen i.S.v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 versehen ist.
Der Kl. fragte mit Schreiben vom 17.9.2021 den Deckungsschutz für das Vorgehen gegen die A, AG bei der Bekl. an. Unter anderem gab er bei dieser Anfrage eine private Nutzung des Fahrzeugs an. Zuvor hatte ein gleichfalls von dem Kl. mandatierter Rechtsanwalt sich bereits bei der Bekl. gemeldet, um eine Deckungszusage zu erhalten.
Mit Schreiben vom 15.10.2021 erkundigte sich die Bekl., in welchem Umfang das Fahrzeug gewerblich, privat oder im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit genutzt wird. Auf diese Anfrage antworteten die Prozessbevollmächtigten für den Kl. am 20.10.2021 und teilten mit, dass das Fahrzeug ausschließlich der privaten Nutzung dient.
Mit Schreiben vom 9.11.2021 lehnte die Bekl. die Deckung vollumfänglich, weil keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen.
2 Aus den Gründen:
Der Kl. hat einen Anspruch auf Erteilung der Deckungszusage gegen die Bekl. zur vorgerichtlichen und erstinstanzlichen Rechtsverfolgung gegen die A. AG gemäß § 125 VVG i.V.m. § 17 der ARB 2006.
Dabei kann dahinstehen, ob und ggf. in welchem Umfang die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Kl. Aussicht auf Erfolg hat. Denn der Bekl. ist es verwehrt, sich auf die fehlende Erfolgsaussicht zu berufen.
Nach § 17 Abs. 2 der AVB der Bekl. ist die Ablehnung der Deckungszusage dem Versicherten unter Angabe der Gründe unverzüglich mitzuteilen.
Nach st Rspr hat der Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Erfolgsaussicht und Stellungnahme über die Eintrittspflicht für den VR den Verlust der darauf gestützten Ablehnungsrechte zur Folge (vgl. BGH VersR 2014, 742 m.w.N. und zu den insoweit gleichlautenden ARB 2010, Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. Anm. 15 ff. zu § 3a ARB). Die Pflicht zur unverzüglichen Entscheidung ist damit unmittelbar in den ARB der Bekl. selbst angelegt, weshalb dahinstehen kann, ob dem eine Pflicht zur unverzüglichen Information des Versicherten gegenübersteht.
Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Dabei ist dem VR Zeit für eine sachgerechte Prüfung einzuräumen. Hierfür wird in Rechtsprechung und Literatur im Allgemeinen ein Zeitraum von zwei bis drei Wochen angesetzt (OLG Frankfurt, VersR 1998, 357; Harbauer/Bauer, ARB, 8. Aufl., Vor § 18 ARB Rn 8; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 31. Aufl., § 3a ARB 2010 Rn 16). Eine Entscheidung der Bekl. über die Deckungsanfrage vom 17.9.2021 am/9.11.2021 war nicht in diesem Sinne "unverzüglich". Die Frist für eine unverzügliche Entscheidung war bereits verstrichen, als die Bekl. mit Schreiben vom 15.10.2021 anfragte, wie das Fahrzeug genutzt werde. Denn schon zu diesem Zeitpunkt waren auch unter Berücksichtigung des Eingangs der Anfrage bei der Bekl. am 20.9.2021 mehr als 3 Wochen vergangen und damit der Zeitraum für eine noch als unverzüglich zu bezeichnende Entscheidung verstrichen. Denn bei der Deckungsanfrage des Kl. handelte es sich nicht um einen komplexen Fall, der ggf. eine längere Überlegungsfrist gerechtfertigt hätte, sodass von einer maximal dreiwöchigen Frist auszugehen ist. Gleichartige Deckungsanfragen werden seit mehreren Jahren in großer Anzahl an die Rechtsschutzversicherer gerichtet. Zahlreiche Aspekte der in einer Vielzahl von Fällen bei den Gerichten bundesweit anhängigen Verfahren sind zwischenzeitlich höchstrichterlich geklärt.
Die Frist wird nicht verlängert durch Nachfragen, derer es nicht bedarf. Dazu gehört die Nachfrage der Bekl. nach der Art der Nutzung des Fahrzeugs. Denn er hatte schon in der Anfrage die Nutzung des Fahrzeugs als "privat" erklären lassen. Es bedarf dann – es sei denn es ergeben sich konkrete Zweifel oder Unklarheiten aus den Angaben des Versicherten – keiner Nachfrage.
Auch soweit die Bekl. geltend macht, es sei zu klären gewesen, zu wem ein Mandat bestehe, weil zuvor ein anderer Prozessbevollmächtigter um Deckung nachgesucht habe, ändert dies das Ergebnis nicht. Denn auch dieser Nachfrage bedarf es nicht, weil sie im Verfahren um die Erteilung der Dec...